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Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Weiße zu sehen ist.«
    »Das würde ich gerne erleben«, sagte die alte Dame ernst.
    »Aber Madam«, wandte der junge Offizier mit aller ihm zur Verfügung stehenden Nachsicht ein, »wir wollen keine Gebetsversammlung.«
    »Warum nicht?« insistierte die alte Dame. »Ich kann mir kaum etwas Angemesseneres vorstellen.«
    »Seine Stimme ist so mächtig«, sagte die Frau. »Wenn er betet, ist er manchmal so gewaltig, daß er sich etwas vor das Gesicht halten muß.«
    »Bringen Sie sie ins Kaminzimmer«, sagte der junge Offizier resigniert, und ordnete an, die Wachen dort zu verstärken.
    Robey sah das Mädchen, das dem Mann mit der schwarzen Livree, den weißen Haaren und den buschigen weißen Koteletten folgte, und hinter ihnen schleppte sich müde und abgehärmt die blinde Frau. Der Mann hatte ein rosiges Gesicht und hängende Schultern, und er zog ein Bein nach, aber es schien keine schlimme Verletzung zu sein.
    Als er mit seinen bösen kleinen Augen den Raum musterte, spürte Robey , wie sein Blick kurz an ihm hängenblieb. Das Mädchen hatte mit Kalkpuder ihre Haut ein wenig abgedeckt, doch gegen die aufgeplatzten Lippen konnte sie nichts tun.
    Der Soldat, der Robey bewachte, beugte den Kopf vor und flüsterte anerkennend, daß sie nicht schlecht aussehe. Ein anderer Wachposten steckte den Finger in den Mund und ließ ihn in der Backe schnalzen. Dann lächelte er und küßte seine Fingerspitzen. Sie schaute verängstigt zu Robey , dann bekamen ihre Augen einen trüben und grauen Ausdruck.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    8 ALS DER MAJOR EINTRAF ,
    das Ölzeug ablegte und mit der Uhr in der Hand das Kaminzimmer betrat, wurde Robey aufgefordert, sich zu erheben. Der Major hatte einen großen Kopf und ein flaches, bleiches Gesicht. Seine Augenbrauen glichen zwei weißen Flügeln, die dramatisch nach außen strebten, als wollten sie sich von der Stirn erheben. Mit seinen O-Beinen hatte er die typische Figur eines Reiters. Er überreichte einem der Wachposten seinen Säbel, nahm das Käppi ab und sagte zu der alten Dame, die ihm dicht auf den Fersen folgte, ja, ein gebratenes Huhn wäre großartig, falls sich um diese unchristliche Stunde eines auftreiben lasse.
    »Muß das denn sein?« fragte er, den Finger auf Robey s gefesselte Handgelenke gerichtet.
    »Er ist ein Spion«, erklärte der Soldat und zog die blaue Jacke auseinander, so daß die graue Innenseite zu sehen war.
    »Bitte«, sagte der Major, »nehmen Sie dem jungen Mann die Fesseln ab. Das Risiko müssen wir eingehen. «
    D ann gab er dem jungen Offizier mit der Ledermappe zu verstehen, daß dieser Krieg irgendwann vorbei sein würde, und dann mußten sie ohnehin alle wieder zusammen leben.
    Die alte Dame wies das Hausmädchen an, sofort ein Huhn zu schlachten und für den Major zu braten. Dann sagte sie ihm, in der Bibliothek sei angeschürt und er solle s ich doch ans Feuer setzen und sich wärmen, denn die Nacht werde kalt und feucht.
    »Gerade Frühlingsnächte wie diese sind manchmal überraschend kalt«, erklärte sie, und er stimmte ihr zu. Sie war der Meinung, er solle sich ausruhen, denn der Zug habe Verspätung, werde aber sicher bald ankommen, und dann werde er mit dem Entladen alle Hände voll zu tun haben.
    Der Major blickte auf die Uhr in seiner Hand und fragte die alte Dame, woher sie wisse, daß der Zug Verspätung habe.
    »Man hat ja schließlich Ohren«, antwortete sie kapriziös.
    »Ja, natürlich«, sagte er. Sein Blick suchte den des jungen Offiziers und sandte einen deutlichen Tadel aus. An die Dame gewandt sagte er, sie brauche sich nicht um den Zug zu kümmern. Das sei seine Aufgabe, es sei ja auch sein Zug. Mit diesen Worten verschwand er durch eine Tür, die tiefer ins Haus hineinführte.
    Kurz danach kam der junge Offizier mit der Ledermappe ins Kaminzimmer und signalisierte ihnen, ihm zu folgen. Robey sah zu dem Mädchen hin, doch das saß ruhig da, die Hände im Schoß gefaltet, den Blick auf ein hohes Fenster gerichtet.
    Der junge Offizier führte sie durch einen langen, von gelblich schimmernden Lampen beleuchteten Gang an vielen goldgerahmten Familienporträts vorbei bis in ein Zimmer, dessen Fenster auf den Platz hinausgingen. Die Wände waren voll mit Bücherregalen, und der Major saß rittlings auf einem Stuhl vor dem knisternden Kaminfeuer. Er hatte seine feuchte Uniformjacke ausgezogen und den Kragen aufgeknöpft. Die Arme ließ er über die Stuhllehne baumeln,

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