Der Glanzrappe
aneinander, und Kälber schrien nach ihren Müttern.
In dem Licht, das sie umfing, war eine Gruppe in Lumpen gekleideter Schwarzer zu sehen, die still auf einem langen Bahnsteig standen. Die Männer am Rand mußten ein Seil halten, das die ganze Gruppe umschlang, und daneben standen Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett, die Stahlspitzen auf die Brust der Schwarzen gerichtet.
Ein Soldat mit Megaphon drohte ihnen, falls auch nur ein einziger Neger das Seil losließ, so daß es unter Hüfthöhe absank, würden alle auf der Stelle erschossen.
Sie schlängelten sich weiter durch die Seitenstraßen und schienen sich schon in dem Labyrinth zu verlieren, als sie schließlich an einen großen Platz kamen, der von e inem steinernen Springbrunnen ohne Wasser dominiert wurde. Ihr Ziel lag am Kopfende des Platzes hinter einem hohen schmiedeeisernen Zaun, ein riesiges, hell erleuchtetes Gebäude mit drei hohen Fenstern auf jedem Stockwerk. Eine kurze Granittreppe führte hinauf zu der zurückgesetzten Eingangstür, vor der mehrere Wachposten standen, und direkt unter der Treppe lag ein Dienstboteneingang. Sie betraten einen Vorraum, in den durch die Glasscheibe einer Zwischentür gedämpftes Licht fiel. Ein Wachposten öffnete kurz die Tür und befahl ihnen, davor zu warten. Dann kehrte er zurück und führte sie in einen Korridor, wo sie von einer alten Dame mit weißem Schleier und weißen Handschuhen begrüßt wurden. Um ihren Hals baumelte eine Perlenkette, jede Perle so groß wie eine Murmel. Hinter ihr stand ein Hausmädchen, und hinter dem Mädchen ein junger Offizier, der eine große Ledermappe mit Dokumenten vor sich hielt.
Die alte Dame erklärte ihnen, sie müßten warten, weil der Major noch nicht eingetroffen sei, aber er müsse jeden Augenblick kommen. Es seien noch andere Bittsteller hier, die mit dem Major sprechen wollten, und auch sie freue sich sehr darauf, ihn persönlich kennenzulernen. Sie sprach, als hätte sie es nicht mit Besatzern zu tun, sondern als wäre dies eine gesellschaftliche Veranstaltung. Robey s Begleiter und der junge Offizier mit der Ledermappe wechselten verständnislose Blicke, und der Offizier tippte sich entnervt an die Stirn.
»Ihr könnt weitergehen«, sagte der junge Offizier und paßte sich dem Ton der alten Dame an. »Es ist ihr Haus, wir sind hier nur Gäste.«
Angesichts dieser Bestätigung strahlte die alte Frau. Huldvoll geleitete sie sie den Flur entlang und führte sie durch eine Tür ins Kaminzimmer, wo Robey von der Mischung aus Tabak- und Whiskeyduft und der Hitze des Holzfeuers überwältigt wurde. Im Raum standen und saßen einige andere Männer, deren Blicken er auswich. Er fragte seinen Bewacher, ob er sich setzen dürfe, und der erlaubte es ihm.
Hier warteten sie in Gesellschaft weiterer Wachposten, gelangweilter hartgesottener Männer, die entspannt herumstanden und, etwas merkwürdig, von der Wachteljagd erzählten. Im Haus sah es aus wie in einem Chinaladen. Da standen silberne Uhren und Rosenholztische, lackierte Wandschirme und Porzellanvasen, auf denen Pfauenfedern prangten. Er stellte sich vor, daß alle Zimmer so waren: Kristallüster und düstere Gemälde mit prunkvollen Rahmen, geprägte Buchrücken und silberne Schnupftabaksdosen, Polstermöbel und schwere, klamme Vorhänge.
Seine Gedanken führten ihn weg aus dem geheizten Raum. War es das, wofür die Menschen kämpften – die vielen Dinge, die ihn hier umgaben? Diese Dinge mit so großem Wert und so wenig Nutzen? Er dachte, wie schnell sie doch zerbrechen können oder verbrennen, weggefegt mit einer Handbewegung oder vom Feuer verzehrt. Vielleicht war es gerade das Schwache, das Zerbrechliche und das Schöne, das einen um den Verstand brachte und bis zur Besinnungslosigkeit kämpfen ließ.
Vom Korridor her war zu hören, wie Türen aufgerissen wurden, und wütende Worte drangen ins Kaminzimmer. Robey war müde und hungrig, aber nicht beunruhigt.
Er wußte, er würde es schaffen. Er wußte nicht, warum, aber er war sicher, daß dies nicht das Ende seiner Reise war.
»Was wird hier gespielt?« ertönte eine Stimme vom Korridor. Es war der junge Offizier mit der Ledermappe.
»Er möchte eine Gebetsversammlung abhalten«, sagte die alte Dame, »und er ist hier, weil er den Major um Erlaubnis bitten möchte.«
»Ich kenne sonst niemanden, der so gottbesessen ist wie er«, sagte eine Frau mit eindringlicher Stimme. »Er betet auf den Knien, und manchmal verdreht er dabei die Augen, bis nur das
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