Der Glanzrappe
und in einer Hand hielt er ein Glas mit bernsteinfarbenem Whiskey. Er kippelte hin und her, erst auf die Hinterbeine des Stuhls und dann auf die Vorderbeine, näher zu den Flammen, wobei er ins Schwitzen geriet, was ihm merkwürdigerweise großes Behagen bereitete.
In der Tür stand die alte Dame und flüsterte mit einer deutlich jüngeren Kopie ihrer selbst. Beide trugen ein enganliegendes, pfirsichfarbenes Kleid mit weitem Rock. Die Tochter, schloß Robey . Auch wenn das Flüstern dem Major galt, schien die Jüngere sich mehr für eine andere Person im Raum zu interessieren, einen schwarzhaarigen Kavallerieoffizier.
»Zu alt«, meinte die Dame, und Robey mußte ihr recht geben. Wie flink und kraftvoll der Major auf den ersten Blick auch gewirkt hatte, wie er jetzt so dasaß, war er eigentlich zu alt für eine Uniform. Sein lächelndes Gesicht thronte über einem steifen Kragen, die fleckigen Hände ragten aus den Manschetten hervor, und die roten Ohrmuscheln waren von Büscheln weißer Haare umkränzt, die den Augenbrauen ähnelten. Sein sorgenzerfurchtes Gesicht ließ jedoch noch erkennen, wie er als junger Mann ausgesehen hatte.
»Er ist ein sehr wichtiger Mann«, sagte die Tochter, beeindruckt von dem Major, seinen Leuten und deren Rangabzeichen.
»Nicht hier bei uns«, sagte die alte Dame, und ihre Stimme verriet, wie überzeugt sie davon war und wie verbittert.
Der Major wandte sich den Frauen zu und verzog den Mund zu einem breiten Grinsen, um ihnen deutlich zu m achen, daß er ihr unüberlegtes Geflüster durchaus gehört hatte. Sie fühlten sich ertappt, und der Blick seiner klaren blauen Augen machte sie nervös.
»In diesem alten Körper schlägt ein junges Herz«, rief er den davoneilenden Frauen nach, und dann sah er Robey und seinen Bewacher und winkte sie herein.
In der Tür standen zwei Wachposten, und weiter hinten lümmelte ein Offizier in einem Lehnsessel, die Beine über eine Armlehne geschwungen. Er trug die Goldtressen der Kavallerie und schien von allen Männern im Raum das größte Selbstbewußtsein zu haben. Sein schwarzes Haar glänzte vor Öl, genau wie seine hohen Stiefel. Er hatte einen Handspiegel und eine Schere in der Hand, mit der er gerade seinen kunstvoll gezwirbelten Schnurrbart stutzte. Neben ihm auf dem Boden stand eine halbleere Schale Butter-Popcorn.
»Ich bin todmüde«, sagte der Major, an niemand Bestimmtes gerichtet, und wandte sich wieder dem Feuer zu, das sein Gesicht rötete.
Robey s Begleiter betrachtete das als Erlaubnis, wieder bequem zu stehen und ein Lächeln aufzusetzen. Der Major stützte die Arme auf die Stuhllehne und sagte nach einem Blick auf Robey zu dessen Bewacher: »Wer ist dieser junge Mann, den Sie da hereinbringen, und warum ist es so dringend?«
»Der hier ist was Besonderes«, sagte der Soldat und schob Robey mit dem Gewehrschaft vorwärts. »Ich glaub, ein Spion.«
Der Kavallerieoffizier konnte sich das Lachen nicht verkneifen. »So, so, ein Spion«, meinte er spöttisch und lachte weiter sein Spiegelbild an.
»Nur nicht so schüchtern«, sagte der Major zu Robey . »Kann ich dir bei diesem Wetter was zu trinken anbieten?«
»Da würde mir vielleicht wärmer werden«, antwortete Robey und schüttelte sich unwillkürlich, weil ihm auf einmal bewußt wurde, wie durstig und ausgekühlt er war.
»Er spricht«, sagte sein Bewacher, als würde sich damit sein Verdacht bestätigen.
»Er spricht«, äffte der Kavallerieoffizier nach und schnaubte abwertend.
»Er hat bisher noch nichts gesagt?« fragte der Major.
»Nein, kein Wort.«
»Woher wissen Sie dann, daß er ein Spion ist?« wollte der im Sessel lümmelnde Offizier wissen, den Blick weiter auf sein Spiegelbild gerichtet.
»Bist du ein Spion, mein Sohn?« fragte der Major und schaute erneut auf die Uhr in seiner Hand.
»Nein, Sir«, antwortete Robey .
Der Major setzte die Befragung fort, als müsse er in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Fragen stellen und als halte er den Inhalt der einzelnen Fragen nicht für sonderlich wichtig.
Schon auf die erste Frage wußte Robey keine rechte Antwort, und er legte die Hände ineinander und sprach nicht mehr viel.
Der Major sah von seiner Uhr auf und schien von Robey s Gesicht angetan. Er lächelte ihn an und ließ den Blick nicht mehr von ihm. Er schaute ihm geradewegs in die Augen, und Robey hielt seinem Blick stand, wandte sich nicht ab, und bald schien es, als wären beide nicht mehr in diesem Raum. Es war weder Nacht noch Tag ,
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