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Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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letzten Streifen roten Lichts am westlichen Horizont. Ein kalter Nebel zog heran, hatte die leeren Felder bereits mit einer feinen Schicht überzogen.
    In der Kühle der Nacht ließ der Schmerz in seinem Fußgelenk nach und machte ihm keine Sorgen mehr. Er wußte, er war jetzt ganz nah dran, bei einer Armee, einer Schlacht, einem Pferd. Er spürte, er stand direkt vor dem Ort des Krieges, der zermalmenden Gewalt, einem Ort, der stets in Bewegung war und in dessen Dunstkreis er schon seit Tagen umherirrte. Er hatte es am Fluß, an den Schienen und an der galoppierenden Kavallerie erkannt, aber er konnte noch nicht sagen, ob er schon mittendrin war oder immer noch davon entfernt. Doch ganz gleich, er hatte es so weit geschafft, und egal, was er schon durchgemacht hatte, er ahnte, daß er wieder einmal am Anfang stand.
    Da er nicht wußte, was er tun sollte, setzte er sich hin, zog die Beine an und legte das Kinn auf die Knie. Während er zuvor immer getrieben worden war, zu immer törichteren Entscheidungen, so spürte er jetzt in sich eine Geduld, die er mühsam erlernt hatte. Der Regen wurde stärker und kälter, und auch die Luft war für die Jahreszeit zu rauh. Er hatte für einen Moment das Gefühl, zu erfrieren, doch er wußte, es waren die Anstrengung und der Hunger und die letzten Auswirkungen seiner Kopfverletzung, die ihm zu schaffen machten. Er fühlte die Last der Dunkelheit auf seinen Lidern, und für einen Moment verlor er das Bewußtsein.
    Sein kurzer Traum war die wiederholte Erfahrung eines endlosen Falls. Jedesmal kämpfte er verzweifelt gegen den Absturz, konnte ihn aber nicht verhindern. Er wurde von einem Schuß getroffen und stürzte zu Boden. Er fiel von dem pechschwarzen Hengst an der Brunnenwinde vorbei hinab in den Schacht. Auch im Traum wußte er, daß er träumte. Er murmelte und schrie, aber er kam nicht zu Bewußtsein. Als er schließlich aufwachte, war er sich nicht sicher, ob er überhaupt geschlafen hatte, aber es war dunkel, und ein schwerer Schuh trat gegen seinen geschwollenen Knöchel.
    »Wer bist du?« ertönte eine tiefe Stimme über ihm.
    Sie drang aus großer Entfernung an sein Ohr, und er konnte nicht sehen, woher sie kam. Es war, als wäre er am Grund eines pechfinsteren Brunnens aufgewacht. Als er schließlich wieder ganz bei Sinnen war, dauerte es noch eine Weile, bis ihm klar wurde, daß die Stimme zu einem Soldaten gehörte, der ihm die Frage gestellt hatte und der jetzt mit dem Bajonett gegen sein Bein stieß. Als er die Frage nicht beantwortete, setzte der Soldat die Bajonettspitze auf seinen Oberschenkel und drückte leicht zu. Robey spürte vor Schreck keinen Schmerz. Dann drückte der Soldat fester, und sein Bein verkrampfte sich und zuckte, als die Klinge seine Haut durchbohrte.
    »Hab doch gewußt, daß du nicht tot bist«, sagte der Soldat erfreut. »Was hast du hier zu suchen? Und erzähl keine Lügenmärchen.«
    Als er aufsah und über sich einen Mann in einer blauen Uniform erkannte, wurde ihm kalt ums Herz. Der Soldat hatte einen dünnen schwarzen Bart und eine Brille mit Goldrand, und hinter ihm, am Horizont, ging gerade der Mond auf. Der Soldat trat einen Schritt zurück, damit er aufstehen konnte, dann zog er ihm mit dem Bajonett d ie Jacke auseinander, so daß die gefärbte Innenseite zu sehen war. Er nahm ihm die Pistole und das Messer ab, und kurz danach kam ein zweiter Soldat auf sie zu.
    Die beiden Soldaten begannen sofort, sich über die richtige Parole zu streiten, und verwandten geraume Zeit auf diese Frage. Jeder von ihnen behauptete, er habe die neue Parole und der andere verwende noch die alte. Ohne daß sie zu einem befriedigenden Schluß kamen, wie nun zu verfahren sei, verloren sie schließlich das Interesse an der Sache und wandten sich Robey zu.
    »Hast du Geld bei dir?« fragte der zweite Soldat. »Oder Tabak? Ihr Rebellen habt doch immer welchen dabei.«
    Robey schüttelte den Kopf.
    »Er spricht nicht?« fragte der zweite Soldat den ersten.
    »Bis jetzt nicht, außer im Schlaf.«
    »Und was hat er da gesagt?«
    »Keine Ahnung, ich red nie im Schlaf.«
    »Hat ’ s dir die Sprache verschlagen?« sagte der zweite Soldat zu Robey . Als der wieder nur den Kopf schüttelte, kicherte der Soldat.
    »Vielleicht hat er ja nichts als Baumwolle im Hirn«, meinte der zweite Soldat. »Na, wenn sie ihm einen Strick um den Hals legen, wird er schon reden.«
    »Er ist doch noch ein Kind«, entgegnete der erste.
    »Ein Kind schießt uns genauso tot wie

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