Der Glanzrappe
Major, und als Robey einen Schubs von hinten bekam, ging er eilig im nassen Gras hinter dem gußeisernen Zaun in Deckung.
Scharfschützen nahmen die Fuhrleute und die Soldaten auf dem Bahnhof und in den engen Straßen ins Visier und zerfetzten ihnen die Leiber. Der Major schrie auf, als eine Kugel erst seinen schwarzen Stiefel durchbohrte und dann in seinem Pferd steckenblieb. Ein herbeieilender Arzt zog ihm den Stiefel vom Fuß und wollte auf der Stelle amputieren, doch der Major hielt ihn mit gezogenem Revolver in Schach, ließ sich die Wunde verbinden und erteilte vom Sattel aus weiter nun zusammenhanglose Befehle. Eine zweite Kugel traf ihn am Handgelenk, und sein Handschuh füllte sich mit Blut, bis er ihn abzog und zu Boden fallen ließ, wo er wie eine aufgedunsene Wurst liegenblieb.
Vor einer unbeleuchteten Gasse jenseits des großen Platzes mit dem Springbrunnen lud sich die Atmosphäre a uf, bevor die anrückende große Truppe selbst in Erscheinung trat. Ein beeindruckendes, furchterregendes Bild, und er hörte die Befehle des Offiziers und das stählerne Geräusch, als die Säbel gezogen wurden.
»Viererreihe! Blankziehen! Attacke!«
Dann erfüllte ein Brausen die Luft, und Reiter kamen angestürmt, durchbrache n die Hecken oder tauchten aus den Gassen auf und sammelten sich in den Parallelstraßen, aus denen sie anschließend hervorstürzten wie die Fluten eines gebrochenen Damms. Und dann waren sie mitten unter ihnen, schleuderten krachende Salven in alle Richtungen. Pferde wieherten und gingen stöhnend zu Boden. Ein Tier spuckte Blut, drehte sich auf den Hinterbeinen und stürmte davon. Eine Klinge sauste herab und trennte eine Hand sauber vom Arm. Eine zweite Klinge zuckte, schnitt den Kopf eines Mannes fast vollständig vom Körper ab, und helles Blut spritzte in die Nacht.
Jetzt waren an die hundert Pferde auf der Straße, bäumten sich auf und vermischten Rauch und Feuer mit dem Blut und dem Nieselregen. Ein Soldat ließ sein Gewehr fallen, hob die Hände und wurde sofort erschossen. Einige Männer hatten sich erhoben und versuchten, die Blutung aus ihrem aufgerissenen Brustkorb zu stillen. Ein Pferd hatte die Hinterbeine gebrochen und saß auf dem eigenen Schweif. Die Angreifer zerfetzten mit ihren Säbeln das graue Segeltuch der Planwagen und töteten alle, die sie darin entdeckten.
Aus den zerbrochenen Fenstern in den oberen Stockwerken hallten noch immer Schüsse, und die Getroffenen sackten auf dem Zimmerboden zusammen oder stürzten kopfüber auf die Straße.
Der Major kämpfte weiter, wurde am Kopf und an den Armen von Säbeln verletzt, und die Hufe seines Pferdes trommelten in der Luft. Der Major entriß einem Mann, der gerade auf ihn zielte, die Flinte und erschoß ihn mit dessen eigener Ladung, richtete die Waffe dann gegen einen zweiten und durchschnitt gleich darauf einem dritten die Kehle.
»Aufschließen!« brüllte er grimmig. »Mein Gott, schließt auf!«
Aber Schlachten werden von den Soldaten entschieden, die sie ausfechten, und nicht durch Befehle von oben. Der Major saß kerzengerade im Sattel, als ein Minie g eschoß herangepfiffen kam und ihn tödlich am Kopf traf. Die gußeisernen Zaunpfähle hielten ihn auf, stoppten seinen abrupten Sturz. Der Körper des Majors baumelte zwischen den schwarzen Eisenstäben und sah aus wie ein aufgespießter Fisch. Das bleiche Gesicht wurde blutrot und sank weiter hinab. Die Schußwunde am Kopf des Majors rauchte noch, und seine Augen waren starr wie aus Glas.
Dann war alles vorbei, und eine unheimliche Stille trat ein, doch sie hielt nicht lange an, wurde bald wieder von Zischen und Donnern, von Stöhnen und Schreien abgelöst, von den permanenten Hintergrundgeräuschen des Krieges. Die Stille hatte nicht so lange gedauert, daß das Gehör hätte Zuflucht finden können vor dem Schlachtgetöse, vor den zeitlosen menschlichen Lauten von Schmerz und Todeskampf.
Rings um ihn ertönte das Röcheln und Stöhnen der verwundeten und sterbenden Männer, die dort angelangt waren, wo jedes Leben zu Ende geht. Pferde hatten sich l osgerissen und galoppierten reiterlos umher, als hätte eine merkwürdige Geisterkavallerie zum Manöver geblasen. Robey fragte sich, was man tun sollte, wenn ein Mann mit Bauchschuß nach Wasser rief, es aber kein Wasser gab. Dann entdeckte er das Gesicht des jungen Offiziers mit der Ledermappe; er saß in sich zusammengesunken da und starrte stumm auf die roten Bläschen, die aus dem Loch in seiner Brust
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