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Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Tagen zurückkommen.
    Er rief laut, aber wie zu erwarten, erhielt er keine Antwort. Einzig die Pferde hörte man, die den Steinklee r upften und kauten, und das leise Plätschern des Wassers, das aus der Holzrinne flöß.
    Der Pferch war leer und mit Disteln überwuchert, der Boden hatte sich gesetzt und war ausgetrocknet. In diesem Jahr gab es keine Schweine, und Rankgewächse hatten die abgeschabten Balken überwuchert. Orangefarbene trompetenförmige Blütenkelche hingen schlaff an grünen Stengeln.
    Sie gingen zur Scheune, um nachzusehen, ob dort vielleicht jemand war. Im Innern der Holzbaracke roch es nach Schimmel und Lehm, gärendem Dung und Heu. Aus einer Ecke schlug ihnen der Gestank ungepflanzter Saatkartoffeln entgegen.
    Hinter der Scheune sahen sie, wofür sich die kreisenden Geier interessierten. Da lagen im zertrampelten Gras eine junge Stute und ein neugeborenes Fohlen nebeneinander, als wären beide bei der Geburt gestorben. Die Stute hatte zusammen mit der Nachgeburt die Gebärmutter herausgepreßt, und das geschrumpfte, birnenförmige Organ lag schwarz verfärbt neben ihren Sprunggelenken, zwischen Wicken und Rutenhirse. Die Hufe des neugeborenen Fohlens waren aufgerieben und brüchig und mit einem Rand von weichem Hörn umgeben, woraus Robey schloß, daß es eine Frühgeburt war.
    »Das war ein wunderschönes Pferd«, sagte er und deutete auf die Stute.
    »Meinst du, sie sind woanders hingegangen?« fragte Rachel mit erstickter Stimme ob der grausigen Szene, die sich ihnen hier bot.
    »Ja, gerade eben«, gab er zurück und erzählte ihr, daß er sie durchs Fernglas hatte weggehen sehen. Er dachte , der Tod einer Stute wie dieser reicht aus, um einem erschöpften Geist den Rest zu geben.
    Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als sie sich mit dem Wasser aus dem Regenfaß wuschen und Speck zusammen mit den Zwiebeln anbrieten, die sie im Garten gefunden hatten. Auch Karotten und Tomaten gab es da.
    Nachdem sie gegessen hatten, zog Rachel sich aus, wusch ihre Kleider im Regenfaß und beschloß dann, ganz hineinzusteigen und ein Bad zu nehmen. Sie gab ihm kein Zeichen, daß er wegschauen sollte, und als sie ins Wasser eintauchte, fand sie einen Moment friedlicher Ruhe. Sie lenkte das Wasser aus der Holzrinne auf ihr Haar, spritzte nach ihm und sagte, er solle auch ein Bad nehmen, weil er bis zum Himmel stinke.
    Er schlenkerte sich die Stiefel von den Füßen und stieg zu ihr in das Faß, ohne die Kleider abzulegen. Sie fand das lustig, lachte ihn aus und brachte ihn dazu, ein Teil nach dem anderen auszuziehen. Alles, was er ihr gab, schrubbte sie sorgfältig und wrang es aus.
    Seine Hände, sein Nacken und sein Gesicht waren von Sonne und Wind nußbraun getönt. Sie inspizierte die Wunde an seinem Kopf und meinte, sie sei hübsch vernarbt.
    Sie verteilten die Kleider zum Trocknen auf niedrige Büsche und wickelten sich in Decken ein. Rachel wollte sich in den Schatten eines Baumes ins Gras legen, aber er bestand darauf, daß sie in der Scheune bei den Pferden schliefen. Erschöpft begaben sie sich dorthin, schoben das Tor zu und legten sich auf das Heu, um den Rest des Tages zu schlafen. Völlig dunkel war es in der Scheune nicht, durch die vielen schmalen Ritzen drang Sonnenlicht herein.
    Er erklärte ihr, daß sich das Licht immer in gerader Linie bewege, nichts anderes in der Natur sei so gerade wie Lichtstrahlen.
    Sie hob die Hand und führte sie durch die Luft, bis sie auf einen Lichtstrahl traf. Dann zuckte sie mit der Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt oder geschnitten, und mußte über ihr merkwürdiges Spiel lachen. Sie streckte die Hand noch einmal aus, ließ das Licht auf der Handfläche tanzen und legte sie dann an ihr Gesicht, als wollte sie die Wärme der Sonne auf ihre Haut übertragen.
    Auf ihr Drängen hin legten sie sich so dicht nebeneinander, daß sie nur zu flüstern brauchten und einander berühren konnten. Er fühlte ihren Atem leicht wie einen Lidschlag über sein Gesicht huschen, spürte die kühle Luft auf seiner Haut. Er schaute ihr in die Augen, und sie sah weg.
    »Er ist nicht tot«, sagte sie.
    »Nein, wahrscheinlich nicht.«
    »Er wird mich suchen. So sicher wie das Amen in der Kirche. Sobald sie gestorben ist, wird er kommen.«
    Während sie langsam sprach, spielte sie weiter mit dem Licht. Sie ließ es zu, daß sich ihre Blicke begegneten, und dann tat sie, als führte sie die Wärme des Lichts an sein Gesicht, seine Wangen, seine Augen und seine Stirn,

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