Der Glasmaler und die Hure
Landsknechte behindert, so daß mehrere Regimenter zurückgeblieben waren und erst am nächsten Tag eintreffen würden. Es hieß, Wallensteins Heer wäre den Schweden zahlenmäßig stark unterlegen, doch der Generalissimus hielt noch einen Trumpf in der Hinterhand bereit: den in Halle stationierten Feldmarschall Pappenheim, dem Wallenstein die Weisung erteilt hatte, mit seinem Korps schnellstmöglich zum Hauptheer zu stoßen.Traf Pappenheim rechtzeitig ein, würden sich am Tag der Schlacht zwei ebenbürtige Gegner gegenüberstehen.
Thea ließ den Blick über die Äcker streifen. Ringsherum hockten die erschöpften Soldaten auf Fellen und Decken und trotzten der Kälte. Ihre Hutkrempen hingen schlaff herab und verdeckten die meisten der bärtigen, abgestumpften Gesichter. Zumindest hatte der Regen ausgesetzt, und durch den wolkenverhangenen Himmel blitzte sogar kurzzeitig die Herbstsonne hervor.
Sie befand sich auf dem Weg zum Mühlgraben, um frisches Wasser zu schöpfen. Martin hatte sie gebeten, einen Eimer zu füllen, weil er die chirurgischen Instrumente säubern wollte, die er morgen, am Tag der Schlacht, gebrauchen würde.
Thea fragte sich, ob Martin überhaupt in der Lage war, Albrecht in einem der Lazarette zu unterstützen. Der mißlungene Versuch, Berthold zu töten, hatte ihn mehr Kraft gekostet als drei durchwachte Nächte. Er wirkte müde und verhielt sich äußerst mürrisch. Seit dem Vorfall im Wald hatte er kaum mit ihr gesprochen.
Mit dem plötzlichen Aufbruch der Armee hatten sie die Spur der Mörder verloren, und es war fraglich, ob Martin jemals wieder die Gelegenheit erhalten würde, Berthold oder Rupert Auge in Auge gegenüberzustehen. Insgeheim war Thea sogar erleichtert, daß es so gekommen war.
Sie erreichte den Graben und tauchte den Eimer in das Wasser. Für einen Augenblick glaubte sie sich beobachtet, aber sie tat dieses Gefühl als blanken Unsinn ab. In ihrer Nähe hielten sich Hunderte Landsknechte und auch viele Troßweiber auf. Natürlich richtete sich hier das eine oder andere Auge auf sie.
Sie betrachtete die Soldaten und erkannte, wie jung diese Männer noch waren. Als Thea sich vor eineinhalb Jahren dieser Armee angeschlossen hatte, waren gestandene Kämpfer und hartgesottene Veteranen mit dem schwedischenKönig in den Krieg gezogen, doch nun fanden sich nur noch wenige der alten Kämpen unter den Soldaten. Der Großteil der Armee bestand aus jungen Burschen, die kaum dem Knabenalter entwachsen waren. Hier vor Lützen warteten sie auf ihre erste große Bewährungsprobe, und vielen von ihnen stand die Furcht vor dem Tod tief in die traurigen Augen geschrieben.
Thea trug den Eimer zu einer Wagenreihe in der Nähe des Flusses. In ihrem Hals breitete sich ein unangenehmes Kratzen aus. Dummerweise hatte sie sich wohl eine Erkältung eingefangen. Thea stellte den Eimer ab und schnäuzte sich in einer Ecke ihrer Schürze. Zwei Kinder tobten an ihr vorbei und stießen dabei fast den Eimer um.
»Langsam, ihr beiden«, schalt sie die Kinder, doch die waren bereits weitergestürmt. Mit einem Kopfschütteln wandte sie sich um und bückte sich nach dem Eimer. Sie stutzte, als sie die Stiefel vor sich bemerkte. Mit einem heftigen Tritt wurde der Eimer umgestoßen. Bang schaute Thea auf, doch da zerrten sie auch schon zwei kräftige Hände hoch. Sie erschrak, als sie direkt vor sich die häßliche Fratze des Einäugigen sah. Im nächsten Moment fuhr Ruperts Faust auf sie herab. Thea stöhnte auf, taumelte zurück und prallte gegen einen anderen Mann, der sie packte und festhielt.
»Nun kriechst
du
vor uns«, säuselte Bertholds Stimme in ihr Ohr.
Thea wollte sich losreißen, doch die beiden schleiften sie zwischen eine Wagenreihe und schlugen weiter auf sie ein. Eine Faust traf sie in den Unterleib und sofort darauf im Gesicht. Sie konnte Blut in ihrem Mund schmecken, und als sie wimmernd auf dem Boden kauerte, raubte ihr ein Tritt gegen die Brust den Atem. Benommen ließ sie sich auf die Beine zerren. Rupert und Berthold nahmen sie in die Mitte und schleppten sie mit sich. Alles an ihr schmerzte. Sie konnte mit der Zunge fühlen, daß Rupert ihr einenSchneidezahn herausgeschlagen hatte. Nur undeutlich nahm sie wahr, daß man sie in ein Gebäude brachte. Sie schaute auf grobes Mauerwerk, das an einigen Stellen beschädigt war. Durch einen breiten Riß fiel soviel Tageslicht in den Raum, daß sie die beiden hämischen Gesichter über sich erkannte.
Berthold drückte ihre Schultern zu
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