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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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ungehalten. Eine Frau sollte solchen Schundgeschichten nicht mehr Aufmerksamkeit schenken als ihrem Ehemann.
    »Ich frage mich, ob unser Kind deine unkeuschen Gedanken spüren kann«, sagte er und zog ein mißlauniges Gesicht.
    Sophias Augen lugten über den Buchrücken zu ihm. »Und was soll dieses Kind von einem Vater halten, der einen höchst zweifelhaften Umgang mit Huren pflegt?« erwiderte sie.
    Martin schnaufte enttäuscht. Sie mißtraute ihm also noch immer.
    Er streifte das Nachthemd über und setzte sich zu Sophia auf das Bett. »Ich habe dir bereits schon einmal gesagt, daß mich Thea ebenso überrascht hat wie dich. Was sollte ich tun? Sie mit Mißachtung strafen? Immerhin hat sie mir das Medaillon gebracht.«
    Sophia bedachte ihn mit einem sparsamen Blick.
    »Du glaubst mir nicht«, sagte er.
    Zu seiner Überraschung kicherte sie leise. »Doch, ich glaube dir. Wahrscheinlich bist du der aufrichtigste Mann in ganz Magdeburg. Aber es macht mir Spaß, dich zu verunsichern.«
    Martin verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und holte tief Luft. »Du unverschämter Teufel …«
    »Zudem dürfte es keinen Grund dafür geben, daß du dir körperliche Freuden bei einer Dirne beschaffen müßtest.« Ihre Augen funkelten verführerisch. »Oder habe ich dich in letzter Zeit etwa vernachlässigt?«
    »Gewiß nicht.« Martin lachte, denn im Grunde übertraf Sophia ihn sogar in vielen Nächten an lustvoller Begierde.
    Er küßte sie und legte eine Hand auf ihren flachen Bauch, der sich schon bald wie ein überreifer Kürbis hervorwölben würde. Wieder mußte Martin an die Gefahren denken, denen dieses ungeborene Kind ausgesetzt war.
    »Ich könnte nicht ohne dich leben, Sophia«, sagte er.
    Sie streichelte sein Haar. »Natürlich könntest du das.«
    »Würdest du denn ohne mich leben wollen?«
    »Ich würde auf dieser Welt bleiben und die Erinnerung an uns bewahren. Sonst wäre alles tot, was wir jemals miteinander geteilt haben.«
    Martin küßte Sophias Stirn, nahm ihr das Buch weg und legte sich neben sie, so daß er die Wärme ihres Körpers spürte. Sie schmiegte sich an ihn, und unter ihren forschen Fingern vergaß er sogar Thea und die Belagerung für eine Weile.

Kapitel 3
    Zu später Stunde zogen sich Rupert, Berthold und Wenzel in eine schmale Kammer im oberen Stockwerk des »Grauen Gugelfrantz« zurück, die sie mit einem Dutzend zwielichtiger Gestalten teilten. Müde und trunken vom Wein, ließen sie sich auf die Strohschütte fallen und schoben die schweren Körper neben sich zur Seite, um zumindest soviel Platz zu schaffen, damit sie sich zusammengekauert hinlegen konnten.
    Rupert traute dem diebischen Lumpengesindel nicht und döste mit der Hand am Griff seines Dolches ein. Nach einer Weile wachte er auf, als sein Nebenmann laut knatternd einen Wind fahrenließ. Da er keinen Schlaf mehr fand, erhob er sich. Er griff nach seinem Mantel und breitete ihn über Berthold aus, der ein leises Schnarchen von sich gab. Rupert strich seinem Bruder über das Haar und zog aus seiner Wamstasche eine Gemskugel hervor, die aus der getrockneten Masse eines Tiermagens geformt worden war und Berthold vor den Gefahren der nächsten Tage schützen würde. Vorsichtig schob er die Kugel unter einen Saum von Bertholds Hemd.
    Um im Kampf zu bestehen, machten viele Landsknechte sich »fest« oder »gefroren«, wie sie es nannten. Sie trugen »Nothemden«, die von jungen Mädchen gesponnen und mit besonderen Kreuznähten versehen worden waren, führten einen gebrauchten Henkersstrick mit sich oder auch mit Fledermausblut niedergeschriebene Schutzsprüche und eben die Gemskugel, auf die Rupert vertraute.
    »Nun bist du unverwundbar«, flüsterte er Berthold zu und kroch dann im Halbdunkel zu der runden Fensteröffnung.Rupert klappte einen Holzladen auf und schaute nach draußen. Der neue Tag dämmerte herauf, und die kühle Luft vertrieb ein wenig den Gestank, der von den Urintöpfen in der Kammer ausging.
    Rupert mußte wieder an seinen Vetter Martin denken, doch vor allem dessen Frau ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er sah ihre dunklen Augen vor sich, den Ansatz ihrer Brüste, und er rief sich das Gefühl ihrer Haut unter seiner Hand ins Gedächtnis. Rupert berauschte sich an der Angst, die auf ihrem Gesicht zu erkennen gewesen war, als er ihre Wange berührt hatte. Er stellte sich vor, daß sie nackt unter ihm läge – starr vor Furcht und unfähig, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen, so wie die Frauen, die er zuvor

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