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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Gefährten verschwinden und Martin mit ihm. Sie mußte ihn in der Gewalt dieser schrecklichen Person zurücklassen, die ihn womöglich ohne eine Spur von Mitleid von ihrem Wagen stoßen und seinem Schicksal überlassen würde.
    Während sie noch mit Katharina haderte, näherte sich ihr ein schlaksiger Kerl in schmutziger Kleidung, den ein unangenehm säuerlicher Geruch umgab. Er drängte sich neben sie, grinste sie an und entblößte dabei einige auffällige Zahnlücken.
    »Schaust bedrückt aus, Mädchen«, meinte er. »Kann ich dich aufheitern?«
    »Scher dich zum Teufel!« entgegnete sie.
    »Aber, wer wird denn gleich fauchen wie eine Wildkatze.« Völlig unvermittelt schlang er seine Arme um Thea und zog sie an sich. »Hab dich nicht so. Ich kann dir schöne Stunden bereiten.«
    Verzweifelt versuchte Thea sich loszureißen. Doch das Laufen hatte ihr zuviel Kraft geraubt, als daß sie sich ernsthaft hätte zur Wehr setzen können.
    »Nimm die Finger von mir, du Mistfresser!« rief sie und konnte doch nicht verhindern, daß er sie noch enger an sich preßte. Er reagierte auf ihre Beschimpfung mit einem kehligen Lachen, das aber erstarb, als Thea ihm ins Gesicht spuckte. Einen Moment lang starrte er sie wütend an, dann schlug er ihr so hart mit der Faust gegen ihre Stirn, daß sich für einen Augenblick ihre Sicht trübte.
    Thea erwartete den nächsten Schlag, kniff die Augen zusammen und hob einen Arm schützend vor ihren Kopf. Doch der Hieb erfolgte nicht. Statt dessen vernahm sie ein Surren und sofort darauf ein gequältes Jaulen.
    »Scher dich fort, du schwachköpfiger Teufel!«
    Sie öffnete die Augen und sah, wie Katharina die Gerte ein zweites Mal auf den Rücken des Mannes peitschte. Er brüllte wütend und entließ Thea aus seinem Griff. Als er auf Katharina losgehen wollte, brachte ihn ein weiterer Hieb dazu, schimpfend das Weite zu suchen.
    Thea war auf die Knie gefallen. Katharina trat auf sie zu und reichte ihr die Hand. »Steh auf! Niemand hat es verdient, von solch einem Schwein belästigt zu werden.«
    Ohne zu zögern ergriff Thea die helfende Hand und ließ sich auf die Beine ziehen. »Danke«, sagte sie knapp.
    Katharina schaute ihr einen Moment lang streng in die Augen. Dann fragte sie: »Wie ist dein Name?«
    »Thea.«
    »Also gut, Thea. Du brauchst ein sauberes Kleid. Du bist kleiner als ich. Ich werde eines von meinen umnähen müssen. Und wir besorgen dir Gamaschen.«
    »Damit ich besser neben deinem Wagen laufen kann?« Thea gab sich keine Mühe, den Unmut in ihrer Stimme zu verbergen.
    »Wir werden sehen«, meinte Katharina. »Fürs erste biete ich dir den Platz neben mir an. Wenn du allerdings zu stolz bist, kannst du auch weiterhin laufen.«
    Katharina wandte sich um und ging. Thea stand einen Moment lang nur da und wußte nicht, was sie von dieser seltsamen Person halten sollte.
    Sie seufzte und folgte Conrads Schwester auf wunden Fußsohlen.
     
    Während sie Schulter an Schulter auf dem Bock saßen, verhielt sich Katharina reserviert und schweigsam. Eine Weilewechselten sie kein Wort miteinander, dann reckte Katharina ihr Kinn nach hinten zu Martin, der noch immer unter dem Plandach schlief.
    »Dieser Mann«, sagte Katharina. »Bist du mit ihm verheiratet?«
    Thea schüttelte den Kopf.
    »Du lebst mit ihm?«
    »Nicht einmal das.«
    »Warum sorgst du dich dann um ihn?«
    Es hätte wohl keinen Sinn ergeben, Katharina zu erklären, was sie mit Martin verband. Also sagte sie nur: »Ich weiß, daß er ein guter Mann ist.«
    »Ein guter Mann?« Katharina verzog abfällig das Gesicht. »Männer sind selten gut. Sie sind wie Tiere. Schau dich um! Sie streifen durch das Land und gieren nach Blut. Ob sie in kaiserlichen oder schwedischen Diensten stehen, macht dabei keinen Unterschied. Das Übel der Welt liegt in der Natur des Mannes begründet.«
    »Aber das trifft nicht auf meinen Begleiter zu. Und willst du behaupten, auch dein Bruder wäre ein blutgieriges Tier?«
    »Allemal ein geiler Straßenköter, der den verlockenden Duft zwischen deinen Beinen gewittert hat.«
    Thea hätte ihr gerne widersprochen, doch im Grunde schätzte Katharina ihren Bruder sehr treffend ein. Conrad hatte sich wohl vor allem deshalb hilfsbereit gezeigt, weil Thea sich ihm angeboten hatte, und sie zweifelte nicht daran, daß der Feldscher schon bald seinen Lohn einfordern würde.
    Mit Einbruch der Dämmerung kam der Heerzug zum Stehen, und das Nachtlager wurde aufgeschlagen. Katharina und Thea errichteten ein

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