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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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gewesen, aber nun schien ihm etwas Schlimmeres zuzusetzen.
    »Wo ist Martin?« wollte sie wissen, als Conrad vor ihr stand.
    Er öffnete die Hand, in der sich ein blutverschmiertes Skalpell befand. Seine Gesichtszüge waren wie versteinert.
    »Was ist geschehen?«
    Mit kratzender Stimme antwortete Conrad: »Ich habe beobachtet, wie Martin einem wehrlosen Mann, der die Feldzeichen der Kaiserlichen trug, die Kehle durchschnitten hat.«
    Thea schüttelte den Kopf. Sie wollte es nicht glauben. Martin hatte am Tag zuvor davon gesprochen, daß er die Kaiserlichen tot sehen wollte, aber er hatte in den vergangenen Stunden vielen von ihnen aufopferungsvoll zur Seite gestanden und ihre Wunden versorgt. Aus welchem Grund sollte er sich nun zu einer solchen Tat hinreißen lassen?
    »Wo ist er jetzt?« wollte sie wissen.
    »Er rannte aus der Kirche, als er mich bemerkte.«
    Thea zögerte nicht und lief nach draußen. Vor dem Portal schaute sie sich um, konnte Martin aber nicht entdecken. Ihre Sicht war getrübt von dem Pulverdampf, der vom Schlachtfeld herübergeweht wurde. Sie überquerte den Platz vor der Kirche, ging zwischen den Hütten umher, dann endlich fand sie ihn. Er hockte auf einerhalbhohen Mauer und starrte auf einen schmutzigen Weiher.
    Thea ging langsam auf ihn zu. Martin sah schrecklich aus. Sein Gesicht und die Haare waren mit Blut verklebt. Seine Augen stierten ins Leere. Es war der altbekannte Ausdruck einer verzehrenden Trauer.
    Er bemerkte sie, rührte sich aber kaum. Nur ein nichtssagender Blick streifte sie. Er schien sich mit seinen Gedanken an einem anderen Ort zu befinden.
    Mit einer sauberen Ecke ihrer Schürze wischte sie ihm das Blut aus dem Gesicht wie eine Mutter ihrem Kind die Tränen. Martin sträubte sich nicht dagegen.
    »Sie leben, Thea.« Er blinzelte müde. »Und ich weiß, wo ich Rupert und Berthold finden kann.«
    Thea legte eine Hand an seine Wange. »Martin …«
    »Ich werde fortgehen und nach ihnen suchen.«
    Es war ihr gleichgültig, warum Martin diesen Mann im Lazarett getötet hatte. Er brauchte es ihr nicht zu erklären, kein Wort verlangte sie von ihm, wenn er nur rasch diesen dummen Entschluß verwarf.
    All das wollte sie ihm sagen, doch sie brachte kein Wort hervor, denn ihre Kehle war wie zugeschnürt.
    Selbst als er aufstand und langsam davonging, schaute sie ihm nur stumm hinterher und wußte, daß sie ihn verloren hatte.

DRITTER TEIL
    Kapitel 11
    Die Schlacht von Breitenfeld endete mit einem Triumph der schwedischen Armee.
    Auf einen Erfolg dieses Ausmaßes hatte niemand zu hoffen gewagt, wohl nicht einmal der schwedische König selbst, waren doch in der ersten Phase der Bataille die protestantischen Streitkräfte in schwere Bedrängnis geraten und an den Rand einer Niederlage gebracht worden. Die Flucht der sächsischen Reiterei unter dem Druck der anrückenden kaiserlichen Regimenter hatte Gustav Adolfs Heer zwei Fünftel seiner Stärke gekostet und den linken Flügel der Armee in sich zusammenbrechen lassen.
    Nur die hohe Beweglichkeit ihrer Verbände rettete die Schweden. Aus dem hinteren Treffen wurden so rasch Truppen herangeführt, daß ein neuer linker Flügel gebildet und die Attacken der Kaiserlichen abgewehrt werden konnten.
    Durch die Anwendung der Zugsalve und die leichte Artillerie, welche die kaiserlichen Truppen mit heulenden Schwärmen von Schrot und Kartätschenkugeln auseinandertrieb, erwiesen sich die Schweden im Nahkampf immens überlegen. Tillys schwerfällige Armee brach unter dieser massiven Abwehr bei Sonnenuntergang zusammen und floh in panischer Hast vom Schlachtfeld.
    Innerhalb weniger Stunden war die kaiserliche Streitmacht auf ein Drittel ihrer ursprünglichen Stärke zusammengeschrumpft. Zudem fielen alle Kanonen an die Schweden, deren eigene Verluste sich in Grenzen hielten.
    Die Zerschlagung des kaiserlichen Heeres schien die Prophezeiungen der Astrologen und Auguren zu bestätigen:Der Löwe aus dem Mitternachtsland hatte dem katholischen Adler die Flügel gestutzt.
    Deutschland lag offen vor dem schwedischen König.
    Thea war es am Ende dieses schicksalhaften Tages völlig gleichgültig, welche Seite die Schlacht für sich entschieden hatte. Ihre Gedanken waren bei Martin, und sie fragte sich verzweifelt, wo er nur sein mochte.
    Eine Weile hatte sie allein auf der Mauer gehockt und ihm nachgeschaut. Solange er noch zu sehen gewesen war, hatte sie gehofft, daß er sich umdrehen und zu ihr zurückkehren möge. Dann war er in eine der Gassen

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