Der Glasmaler und die Hure
dem Volk müssen zusammenstehen. Wir sind Christen. Hörst du?«
»Du willst ein Christ sein?«
Wenzel nickte eifrig. »Ich folge den Worten des Herrn.«
»Und war er es auch, der dich in Magdeburg in mein Haus geführt hat?«
Wenzel starrte Martin einen Augenblick lang ratlos an, doch dann veränderte sich der Ausdruck in seinem Gesicht. Martin sah ihm an, daß ihm klargeworden war, in wessen Gewalt er sich befand.
»Das kann nicht sein«, hauchte Wenzel.
Mit einer schnellen Bewegung öffnete Martin das Wams des Roten, riß das Hemd auf und stieß das Skalpell oberhalb des Nabels in den Bauch.
Wenzel schrie nicht, er keuchte nur überrascht und ließ schnaufend den Atem entweichen.
»Ich war niemals in Magdeburg«, wimmerte der Rothaarige. »Ich kenne dich nicht.«
Martin zog das Skalpell aus der blutenden Wunde undstieß einen Fingerbreit höher noch einmal zu. Wenzels Gesicht verzerrte sich, und ein ersticktes Grunzen entrang sich seiner Kehle.
»Erinnerst du dich nun?«
Wenzel antwortete nicht. Martin bohrte das Skalpell tief in seinen Bauch. Plötzlich stieß sein Opfer hastig hervor: »Ja, ich war in Magdeburg. Es ist wahr.«
Martin verringerte den Druck. »Ihr wart in meinem Haus«, sagte er. »Du und meine Vettern Rupert und Berthold. Ihr habt meine Frau getötet und auf mich geschossen.«
»Rupert hat deine Frau erschlagen und dich niedergestreckt, aber ich wollte das nicht. Ich bin ein Dieb, das gestehe ich, doch ich bin kein Mörder. Erbarme dich! Laß mir das Leben!«
Sein Flehen weckte Zweifel in Martin. Hatte er das Recht, den Mann auf diese Weise zu malträtieren? Womöglich sprach Wenzel die Wahrheit, wenn er behauptete, daß nur Rupert für Sophias Tod verantwortlich war.
»Ich habe sie nicht getötet«, jammerte Wenzel weiter. »Und ich habe sie auch nicht geschändet. Es war Rupert. Rupert!«
Ein kalter Schauer lief über Martins Körper.
»Was sagst du da?«
»Rupert hat sie geschändet, als sie schon tot war. Doch ich habe mich geweigert, sie auch nur anzurühren.«
Wenzels Augen verrieten die Lüge. Aus ihnen konnte Martin die Todesangst ebenso lesen wie das Wissen um seine Schuld und die Hinterlist, mit der er Martin zu übertölpeln versuchte. Martin hatte keinen Zweifel daran, daß auch Wenzel sich an Sophias totem Körper vergriffen und sie geschändet hatte.
»Was ist mit Rupert und Berthold? Leben sie? Wo halten sie sich auf?«
Wenzels Zögern veranlaßte Martin, ihm das Skalpell ein drittes Mal in den Bauch zu stoßen.
»Ja, sie leben«, stieß Wenzel hastig hervor. »In Magdeburg liefen wir zu den Kaiserlichen über. Rupert und Berthold schlossen sich der Kompanie des Hauptmanns Bockstein an, die nach Prag abkommandiert wurde. Ich blieb hier bei der Armee.«
»Sind sie noch dort? In Prag?«
»Was weiß ich? Ja, wahrscheinlich, ja.« Tränen rannen aus Wenzels Augen. »Laß mich leben. Bitte!«
Sein Winseln widerte Martin an und machte ihn nur noch zorniger. Er preßte Wenzels Kopf auf den Tisch, so daß dessen Kinn hochgedrückt wurde, und durchtrennte mit einem schnellen Schnitt die Kehle. Blut spritzte hervor. Wenzel gab ein gurgelndes Geräusch von sich und zuckte im Todeskampf. Nach wenigen Momenten erschlaffte jede Bewegung.
Martin ließ das Skalpell fallen und klammerte sich mit beiden Händen am Amputationstisch fest. Nun brach der Schmerz über die schreckliche Schändung seiner Frau vollends hervor.
»Martin!«
Martin schaute auf. Seine Augen waren verschleiert, aber er erkannte, daß Conrad vor ihm stand. Der Feldscher starrte ihn erschüttert an.
»Was, in Gottes Namen, hast du getan?« brachte Conrad hervor.
Ohne ein Wort wandte Martin sich um und lief davon.
Thea sorgte sich um Jöran Poutiainen. Er war in einen Zustand der Benommenheit gesunken, aus dem er hin und wieder erwachte und stöhnend einige Wortfetzen murmelte, von denen Thea annahm, daß es sich um Gebete in seiner Heimatsprache handelte.
Sie hatte einen Rest Branntwein für ihn aufgetrieben undhoffte, daß der Alkohol ihm ein wenig Linderung verschaffen würde. Sein gebrochenes und geschwollenes Bein mußte ihm schreckliche Schmerzen bereiten. Es betrübte sie, diesen guten Mann leiden zu sehen, und sie hoffte, daß Conrad und Martin bald zurückkehren würden, um sich seiner anzunehmen.
Tatsächlich erblickte sie nun Conrad, der langsam und seltsam kraftlos auf sie zukam. Er ging gebeugt und wirkte fahrig.
Die vergangenen Stunden waren für sie alle überaus anstrengend
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