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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Jöran Poutiainen ihnen berichtet hatte. Der König hatte Seite an Seite mit seinen Soldaten gekämpft.
    Mehrere Landsknechte liefen auf die Reiter zu und stießen Jubelschreie aus, die der König milde lächelnd entgegennahm. Selbst viele der Verwundeten schienen für einen Moment ihre Schmerzen zu vergessen und starrten den König wie einen Heilsbringer an.
    »Er hat sein Ziel erreicht«, sagte Conrad leise. »Hoffent lich ist er klug genug, diesem Krieg nun ein Ende zu setzen.«
    Thea schaute noch immer den Reitern nach. »Und wo sollen wir leben, wenn die Armee nach Schweden zurückkehrt?«
    Conrad hockte sich entkräftet auf die Erde. »Ich weiß es nicht, aber ich fürchte, ein weiterer Tag wie dieser könnte mich das Leben kosten.«
    Der Feldscher wirkte schwach und um Jahre gealtert. Er hatte sich einen ganzen Tag und die gesamte Nacht aufopferungsvoll um die geschundenen Soldaten gekümmert. Nun hoffte Thea, daß er nicht vor ihren Füßen zusammenbrechen würde.
    In der folgenden Nacht raubte die Sorge um Martin ihr den Schlaf. Thea konnte nicht verstehen, warum er so überstürzt aufgebrochen war, um der Spur der Magdeburger Mörder zu folgen. War er sich im klaren darüber, welchen Gefahren er sich aussetzte? Thea hatte davon gehört, daß die ansässigen Bauern viele der flüchtenden kaiserlichen Landsknechte aufgriffen und zu Tode prügelten. Wie schnell konnte es da geschehen, daß auch Martin diesen Zorn zu spüren bekam.
    Am Tag darauf kehrten Thea und Conrad endlich in das Lager zurück. Verdreckt und stinkend stiegen sie von dem Wagen, der sie vom Schlachtfeld hierhergeschafft hatte. Mit müden Augen verfolgte Thea das Gebaren der schwedischen Truppen, die sich noch immer im Taumel des Sieges befanden. Die meisten der betrunkenen Männer sangen, sprangen feixend herum oder paradierten geckenhaft mit den Rüstungen, Krausen und Hüten, die sie den toten kaiserlichen Offizieren entwendet hatten.
    Conrad hatte unter der Anstrengung der beiden vergangenen Tage weit stärker gelitten als Thea. Sie stützte den Feldscher, der über Schmerzen in seinem Magen klagte und kaum in der Lage war, einen Schritt vor den anderen zu setzen.
    Als sie das Quartier erreichten, stockte Thea für einenMoment der Atem, und sie spürte, daß sich auch Conrads Körper spannte.
    Vor dem Zeltdach schürte Katharina das Feuer – und neben ihr hockte Martin. Theas Sorge wich einem Gefühl der Wut. Während sie mit Conrad auf den blutigen Äckern bis an die Grenzen der Erschöpfung geschuftet hatte, war Martin in ihr Quartier zurückgekehrt und hatte sich den Wanst vollgeschlagen. In all den Stunden, in denen sie um sein Leben gebangt hatte, hatte es ihn einen Dreck geschert, wie es ihnen auf dem Schlachtfeld ergangen war.
    Aber sie war auch erleichtert, daß sie nun mit ihm sprechen und ihm sein unsinniges Vorhaben ausreden konnte.
    Conrad schien dieses Bedürfnis nicht zu teilen. Er ignorierte Martin und ließ sich wortlos von Katharina unter das Zeltdach führen.
    »Bist also nicht fortgegangen«, sagte Thea zu Martin.
    Er hob den Kopf und schaute sie traurig an. »Das heißt nicht, daß ich bleiben werde, Thea. Ich bin fest entschlossen, meinen Vettern nach Prag zu folgen. Zuerst jedoch muß ich mir ein Pferd beschaffen, und ich brauche Geld und Verpflegung, um diese Reise unternehmen zu könen.«
    »Diese dumme Idee steckt also noch immer in deinem Kopf.«
    Martin nickte. Thea verspürte den Drang, ihn zu schütteln, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen, doch statt dessen wandte sie sich um, griff nach einem Tuch, das vor ihr auf dem Boden lag und sagte: »Ich werde mich waschen gehen. Der Gestank, der an mir haftet, ist unerträglich.«
    »Darf ich dich begleiten?« fragte Martin. Sie widersprach ihm nicht, und so folgte er ihr zum Fluß, wo Thea sich an das Ufer kniete und ihren Oberkörper entblößte. Seufzend tauchte sie das Tuch ins Wasser und wusch sich das Blut und den Schmutz der vergangenen Tage ab. Martin betrachtete sie zunächst schweigend, dann berichtete er ihr davon, was vor zwei Tagen im Lazarett geschehen war.
    Er sprach von einem Mann namens Wenzel und daß er ihm das Geständnis abgerungen hatte, während der Plünderung Magdeburgs in sein Haus eingedrungen und an Sophias Mord beteiligt gewesen zu sein. Er verschwieg Thea auch nicht die Qualen, die er dem Soldaten zugefügt hatte, um mehr über Rupert und Berthold in Erfahrung zu bringen.
    Der Mord an Wenzel hatte Martin Befriedigung verschafft, aber

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