Der Glasmaler und die Hure
den Haß auf seine Vettern nur noch gesteigert. Danach war er lange durch die Gegend gestreift und auf das Schlachtfeld gelangt, wo er sich von den Toten eine Pistole, Munition und ein Pulverhorn beschafft hatte. Martin glaubte, daß er diese Waffe schon bald auf Rupert richten würde, um seine Rache zu vollenden.
Mit Unbehagen lauschte Thea seinen Worten. Vor allem die Schilderung der Tortur, mit der er Wenzel ein Geständnis abgepreßt hatte, jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Sie konnte verstehen, daß Conrad von diesem Anblick erschüttert worden war. Ihr selbst lag es fern, Martin dafür zu verurteilen. Sie wollte nur, daß er bei ihr blieb, und sie würde ihn nicht so einfach ziehen lassen.
Als Thea sich gewaschen hatte, zog sie sich wieder an und setzte sich neben ihn. »Du sagst, die Mörder deiner Frau befänden sich in Prag, aber woher willst du wissen, ob sie nicht inzwischen vielleicht in eine andere Stadt gezogen sind. Wahrscheinlich wirst du sie niemals finden und einem Schemen folgen, der nicht zu greifen ist. Zudem steht der Winter bevor. Und bedenke, daß versprengte Soldaten und Marodeure dein Leben bedrohen werden. Es ist zu gefährlich. Laß es gut damit sein, daß du einen von ihnen getötet hast. Sophias Leben für das Leben dieses Mannes.«
»Ich werde sie finden, und wenn es Jahre dauern wird.« Martin verzog gequält das Gesicht. »Dieser Wenzel hat mir gestanden, daß Rupert Sophias Leiche geschändet hat. DerGedanke daran macht mich wahnsinnig. Meine Vettern verdienen den Tod.«
Thea senkte den Blick. Sie hatte gehofft, Martin würde niemals von dieser schrecklichen Tat erfahren. Nun war es geschehen, und es würde weiteres Unheil auslösen.
»Ich weiß, du hast deine Frau sehr geliebt«, sagte sie. »Aber diese Liebe wird dich an einen Abgrund führen. Du bist von deiner Rache besessen. Die Feuer von Magdeburg – sie haben nie aufgehört, in deinem Kopf zu brennen.«
»Vielleicht könnte ich es ertragen, wenn Sophia von Fremden getötet worden wäre, aber das Wissen, daß meine Vettern diese Schandtat begangen haben, läßt mir keine Ruhe. Ich muß ihnen folgen, auch wenn ich mich dabei in Gefahr begebe.«
Thea verspürte den Drang, Martin zu berühren. Sie wollte ihre Arme um ihn legen und ihn festhalten, so lange, bis er zur Vernunft gekommen war. Warum hatte sie ihr Leben für ihn aufs Spiel gesetzt und ihn aus der Hölle von Magdeburg befreit? Damit er nun von ihr ging? Es durfte nicht sein.
Sie rückte näher an Martin heran und strich über sein Haar. Ihre Finger spielten in den dunkelblonden Wellen. Sie wollte ihn, spürte das Verlangen, sich ihm hinzugeben. Heute mehr als je zuvor.
Ihre Lippen berührten seinen Mund. Zunächst ganz sanft, dann verlangender. Doch schon im nächsten Moment stieß Martin sie von sich. Thea stürzte zu Boden und schaute Martin verwundert an. Einen Augenblick lang schien er verdutzt, dann aber stand er auf und richtete einen Finger auf sie.
»Du wirst es nicht verhindern können, Thea«, sagte er und ging davon, ohne ihr weiter Beachtung zu schenken.
Thea schloß die Augen und grämte sich über den unglücklichen Kuß. Ein auffrischender Wind ließ sie frösteln.Am Tag darauf suchte Martin das Quartier von Jöran Poutiainen auf. Maija begrüßte ihn freudestrahlend und küßte ihn auf die Wange. Es war ihre erste Begegnung, seit der Nacht, in der er ihr geholfen hatte, ihren Sohn auf die Welt zu bringen. Die blasse, ängstliche Frau von damals hatte sich inzwischen in eine strahlende Schönheit verwandelt, und das vier Wochen alte Kind, das sie auf dem Arm trug, machte einen wohlgenährten und gesunden Eindruck.
Maija sprach einige finnische Worte und deutete auf eine Weinflasche. Martin schüttelte den Kopf und fragte nach Jöran Poutiainen. Sie nickte und winkte ihn an das Damasttuch, mit dem der hintere Teil des Zeltes abgetrennt worden war. Der Finne lag dort auf seiner Bettstatt und stopfte sich mißmutig eine Handvoll kandierter Früchte in den Mund. Der Rittmeister trug nur ein grobes Wollhemd, das ihm bis zu den Knien reichte. Das verletzte Bein, das darunter hervorlugte, war mit zwei Holzbrettern geschient worden.
Seit der Schlacht waren vier Tage vergangen. Das Bein hatte sich inzwischen dunkel verfärbt, und vor allem das zerstörte Kniegelenk war stark angeschwollen. Martin nahm einen unangenehmen Geruch nach fauligem Eiter wahr, der ihn an den Gestank verdorbener Hühnereier erinnerte und wohl aus dem Verband
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