Der Glasmaler und die Hure
drückender in der Luft hing. Conrad und Martin arbeiteten bis an die Grenzen der Erschöpfung. Ihre Hemden und Hosen trieften vom Blut der Soldaten.
Es war nun an Thea, den entkräfteten Conrad zu einer kurzen Rast zu drängen. Eher widerwillig ließ er sich von ihr auf eine Bank führen, wo sie ihm einen Schlauch mit Wasser reichte und ihm mit einem Tuch das Gesicht abwischte.
»Die Kerle sterben uns unter den Händen weg, und ihre Anzahl scheint sich von Stunde zu Stunde zu verdoppeln«, stöhnte Conrad. »Der Verbandsstoff geht zur Neige, und es gibt keinen Branntwein mehr, um den armen Schweinen die Schmerzen zu erleichtern. Nicht mal für mich ist ein Schlückchen übriggeblieben.«
Thea lächelte matt. Auch wenn Conrads Trinkerei oft auf ihr Unverständnis gestoßen war – in diesem Moment hätte sie ihm gerne eine Flasche mit seinem geliebten Malvasier gereicht oder ihm zumindest einen Schluck Branntwein gegönnt. Er war ebenso wie Martin über die Grenzen seiner natürlichen Kraft hinausgewachsen, doch nun drohte er zusammenzubrechen.
»Conrad, Thea!« Martins dringender Ruf ließ sie hochfahren. Sie eilten zu ihm. Thea stockte kurz der Atem, als sie sah, daß man Jöran Poutiainen zu ihnen geschafft hatte. Conrad trennte das rechte Hosenbein des Rittmeisters auf. Ein verrenktes und geschwollenes Bein kam zum Vorschein.
»Wie ist das passiert?« wollte Conrad wissen.
»Mein Pferd«, stieß der Finne gepreßt hervor. »Sie haben mein Pferd niedergeschossen. Es stürzte zu Boden und begrub mein Bein unter sich.«
Conrad berührte das verdrehte Knie, woraufhin der Rittmeister einen gequälten Schrei ausstieß.
»Tuhon tuomittu!«
stöhnte Poutiainen.
»Oberschenkel und Schienbein sind gebrochen, und auch das Knie macht mir Sorge«, meinte Conrad.
»Ich will das Bein nicht verlieren.« Panische Furcht stand Poutiainen ins Gesicht geschrieben. »Ihr werdet es nicht absägen. Auf keinen Fall.«
Conrad beugte sich mit ernster Miene über den Rittmeister. »Wenn ich es amputieren müßte, um Euer Leben zu bewahren, würde ich keinen Pfifferling auf Euer Einverständnis geben. Aber ich glaube, wir können das Bein retten.« Er wandte sich zu Martin um. »Wir müssen das Bein schienen. Bring mir zwei Holzlatten.«
Martin schaute sich um und runzelte die Stirn. »Ich sehe keine.«
»Draußen vor dem Tor liegen viele Tote, die noch Schienen tragen«, sagte Thea.
»Gut, ich werde das Holz herbeischaffen«, meinte Martin.
Conrad nickte und schickte Martin auf den Weg.
»Die verfluchten Sachsen.« Jöran Poutiainen verzog wütend das Gesicht. »Zum Teufel mit den feigen Gecken. Ich habe sofort gewußt, daß die nichts taugen. Sie mögen sich wie Edelleute kleiden, aber kaum wurden sie von der kroatischen Reiterei in Bedrängnis gebracht, ergriffen sie in panischer Angst die Flucht. Allen voran ihr tapferer Fürst Johann Georg, der vom Schlachtfeld stürmte, als hetze ihn der Leibhaftige höchstselbst.«
»Wie steht es um die Schlacht?« fragte Thea.
Poutiainen redete stockend, doch er schien durchaus gewillt, Thea die Lage zu schildern. Vielleicht lenkte ihn das Sprechen von den Schmerzen ab. »Der verschlagene Tilly hatte alle Vorteile auf seine Seite gebracht. Er nahm mit seinen Truppen Aufstellung auf einer Hügelkette …, woer die Sonne im Rücken hatte. Wir haben versucht … ihm am rechten Flügel in den Rücken zu fallen, doch die Kaiserlichen haben rasch auf unseren Angriff reagiert, und zwischen den Kavallerieverbänden entwickelte sich ein blutiges Hauen und Stechen. Meine Finnen haben während dieser Attacke die Spitze gebildet. Niemand von uns ist auch nur einen Deut zurückgewichen …, und ich habe viele gute Männer sterben sehen. Bald darauf erfolgte eine Frontalattacke der schottischen Brigaden unter Robert Monroe auf das Zentrum von Tillys Infanterie. Ich weiß nicht, ob dieser Angriff erfolgreich verlaufen ist, denn schon Augenblicke später stürzte mein treuer Hengst zu Boden.«
»Dann liegt unser Schicksal also weiterhin in Gottes Hand.«
»Und in der Hand des Königs«, sagte Poutiainen. Seine Augen leuchteten stolz. »Ihr hättet ihn sehen sollen. Er kämpfte in den vordersten Reihen, Schulter an Schulter mit seinen Soldaten. Welch unbändiger Mut muß diesem Mann innewohnen!«
»Man kann es auch große Dummheit nennen«, knurrte Conrad. »Ein Heerführer sollte sein Leben nicht unnötig in Gefahr bringen.« Seine Blicke wanderten ungeduldig in Richtung des Portals. »Wo
Weitere Kostenlose Bücher