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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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bleibt Martin? Er müßte längst wieder hier sein.«
    »Vielleicht ist er aufgehalten worden«, sagte Thea. »Ich werde ihm nachgehen.«
    Conrad hielt sie zurück. »Bleib du beim Rittmeister. Ich schaue derweil nach Martin.« Er trat an ihr vorbei, und sie hörte, wie er mürrisch zu sich selbst sprach: »Verdammt, Martin! Kein guter Zeitpunkt für eine Rast.«
     
    Ein Schrei hatte Martin aufgehalten.
    Ein Schrei von vielen, die unter den Amputationsmessern oder aus schierer Verzweiflung ausgestoßen wurden.
    Doch dieser eine Klageruf ließ ihn erstarren. Martins Herz jedoch klopfte so rasend, als wolle es ihm aus dem Leib springen.
    Ein Feldschergehilfe lenkte eine mit abgetrennten Gliedmaßen beladene Karre nach draußen und keifte Martin an, er solle ihm gefälligst aus dem Weg gehen. Martin machte einen Schritt zur Seite, lauschte aber angestrengt, ob der Schrei noch einmal zu hören war.
    Zunächst geschah nichts. Nach einer kurzen Weile erklang indes erneut die helle, wütende Stimme, die so deutlich aus dem Lärm in dieser Kirche hervorstach.
    »Wasser!«
    Martin glaubte den Rufer zu seiner Linken auszumachen. Er trat zwischen die Pfeiler und betrachtete eingehend die schmerzverzerrten Gesichter der Männer, die dort vor ihm auf dem Boden lagen.
    »Gebt mir endlich Wasser, verdammt!«
    Die Stimme, die sich fast überschlug, befand sich direkt in seiner Nähe. Martin ging nur wenige Schritte weiter, dann endlich hatte er ihn gefunden.
    Einen Augenblick lang glaubte er, der Boden unter ihm würde schwanken. Die Bilder der Erinnerung verursachten einen Schwindel in seinem Kopf.
    Der rothaarige Bursche, der das Magdeburger Glasgemälde trägt.
    Er stürmt in die Werkstatt.
    Mit schriller Stimme redet er auf Rupert und Berthold ein.
    Der Kerl kauerte an einer der runden Säulen. Wie so viele hier trug er die Farben der Kaiserlichen. Sein Gesicht bedeckte ein zotteliger roter Bart, doch Martin hätte ihn zu jeder Zeit wiedererkannt. Zu oft hatte das Bild dieses Mannes ihn in seinen Träumen heimgesucht, als daß auch nur der Deut eines Zweifels in ihm aufgekommen wäre, auf wen er hier hinunterschaute.
    Der Rothaarige zog eine sauertöpfische Miene undbetastete sein rechtes Bein. Dort, wo sein Fuß hätte sein sollen, war nur mehr ein zerfetzter Stiefel zu erkennen.
    Er sah auf und bemerkte Martin, der direkt vor ihm stand.
    »Was glotzt du so?« fragte der Rote. »Bring mir Wasser! Ich verdurste in dieser Hitze. Und schaff mir endlich einen Bader herbei!«
    Martin zögerte. Er antwortete erst, als ihm klar wurde, daß der Kerl ihn nicht erkannt hatte.
    »Ich bin ein Bader.«
    »Dann hilf mir!«
    Martin rief einen der Knechte herbei und ließ den Rothaarigen auf einen freien Amputationstisch schaffen. Er schickte den Gehilfen fort und schnürte die Hände und das linke Bein mit den Lederschlaufen fest. Danach legte er auch den zerquetschten Fuß in die letzte freie Fessel und zog das Band so stramm, wie es ihm möglich war. Der Rote jaulte laut auf.
    »Himmel!« keuchte der Kerl. »Willst du mich umbringen?«
    »Mag sein«, sagte Martin unbewegt.
    Der Rothaarige stutzte und bedachte Martin mit einem argwöhnischen Blick aus schmalen Augen.
    »Wie ist dein Name?« fragte Martin.
    »Wenzel.« Er runzelte die Stirn. »Warum willst du das wissen?«
    »Erkennst du mich?«
    Wenzel maß ihn einen Moment lang, dann schüttelte er den Kopf.
    »Wir sind uns schon einmal begegnet.« Martin ergriff Wenzels verletzten Fuß und drückte seine Finger in die Wunde. Unter der Hand konnte er die zersplitterten Knochen fühlen.
    Der Rote brüllte wie ein Ferkel auf der Schlachtbank. Aus seinen Augen schossen Tränen. »Herrgott, was tustdu?« Er schnappte nach Luft. »Hast du den Verstand verloren?«
    Martin schaute sich um und stellte erleichtert fest, daß niemand auf sie aufmerksam geworden war. Schreie und Wehklagen hallten in dieser Kirche aus jedem Winkel. Keiner der in der Nähe befindlichen Feldscher oder Geistlichen beachtete Wenzels Kreischen.
    Er zog nun sein Skalpell hinter dem Gürtel hervor und hielt es Wenzel vor das Gesicht. Der Rote wand sich verzweifelt auf dem Tisch, versuchte sich aus den Riemen zu befreien, erreichte aber nur damit, daß die Fesseln noch tiefer in seinen zerquetschten Fuß schnitten. Stöhnend hielt er inne.
    »Du willst mich umbringen, weil ich für den Kaiser in die Schlacht gezogen bin«, quiekte Wenzel. »Komm zur Vernunft, Bruder! Was scheren uns die Feldherren und der Adel. Wir Leute aus

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