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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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hing an der Wand, die man als Patient auf der Couch nicht sehen konnte. Auf dem Fensterbrett hinter dem Lehnstuhl stand eine kleine abstrakte Skulptur mit einem Loch; vermutlich war sie aus Speckstein. Die Wände und die Decke waren in Weiß gehalten, was wohl neutral wirken sollte. Das war alles.
    »Soll ich mich hinsetzen oder hinlegen?«
    »Wie Sie möchten.«
    »Es ist ein Sofa.«
    »Wie es Ihnen lieber ist.«
    Verärgert legte ich mich auf die Couch und starrte auf die Rauhfasertapete – typisch für eine Renovierung in den achtziger Jahren. Weiß der Himmel, was sich darunter verbarg. Wenn Dr. Prescott die Praxis später als 1987
    gekauft hatte, war der absolute Wert wahrscheinlich gesunken. Sie setzte sich links hinter mich.
    »Können wir nicht einfach mit dem Geschäftlichen beginnen?«
    »Warum verwenden Sie diesen Ausdruck?«
    »Nein, nein, nein, ich will nicht darüber sprechen, weshalb ich den Ausdruck ›Geschäftliches‹ verwende.
    Dr. Prescott, ich fürchte, wir hatten einen Fehlstart. Wenn wir so weitermachen, haben wir es in einer Stunde noch nicht bis zum ›Guten Morgen‹ geschafft.«
    »Was möchten Sie machen?«
    Ich fühlte ein Brennen in den Augenwinkeln, als müßte ich jeden Moment weinen.
    »Ich möchte eine Zigarette rauchen. Darf ich?«

    »Tut mir leid, das geht nicht.«
    »Weshalb tut Ihnen das leid?«
    »Das ist nur eine Redewendung.«
    Ich verrenkte meinen Kopf, damit ich ihr in die Augen blicken konnte.
    »Nur eine Redewendung?«
    Sie fand das nicht komisch.
    »Jane, was wollen Sie?«
    »Ich glaube, ich habe eigentlich erwartet, daß Sie mich fragen, was mich bedrückt, und ich Ihnen erzähle, was mir durch den Kopf geht, welche Strapazen hinter mir liegen und daß wir von diesem Punkt aus zu arbeiten beginnen.«
    »Also reden Sie.«
    »Dr. Prescott, darf ich Sie etwas fragen?«
    »Sie können alles sagen oder fragen, was Sie möchten.«
    »Haben Sie mit so was Erfahrung? Ich bin in einem zermürbten, geschwächten Zustand. Wir sollten vielleicht darüber sprechen, wie es mir gelingt, genug Vertrauen aufzubauen, um mich Ihnen zu überlassen.«
    »Warum brauchen Sie das Gefühl von Vertrauen?«
    »Wenn ich mein Auto zur Reparatur in eine Werkstatt bringe, möchte ich wissen, ob die Mechaniker kompetent sind. Ich erkundige mich, ob die Werkstatt etwas taugt.
    Bevor ich mich auf die Therapie einlasse, brauche ich eine Vorstellung davon, was sie mir bringt.«
    »Jane, das ist die Therapie. Alles, was sich in diesem Zimmer abspielt, ist Teil der Therapie. Um Vertrauen zu gewinnen, muß man sich darauf einlassen.«

    Alle am Tisch lachten. In der Situation selbst war es ein Alptraum gewesen, aber als ich dann am späteren Abend davon erzählte, unter dem Einfluß von Wein und Karamel-creme und jetzt auch noch Käse, bekam er komische Züge.
    »Ich spürte, daß ich der Sache nicht gewachsen war«, fuhr ich fort. »Ich wollte mich unbedingt rückversichern und stolperte in die Förderklasse für Destruktive. Es war nicht möglich, sie auf etwas festzunageln. Jedesmal, wenn ich sie etwas fragte, verhielt sie sich wie die Katze Macavity. Plötzlich war sie verschwunden oder hatte sich zur Seite gedreht und meinte, wir sollten überlegen, weshalb ich das Bedürfnis hatte, gerade diese Frage zu stellen. Ich hätte eine.45er Magnum gebraucht, um diese Frau dazu zu bringen, daß sie mir die Uhrzeit sagt.«
    Was ich brauchte, war diese Therapie hier. Ich war in Paul und Ericas luxuriösem Haus in Westbourne Grove, dem exotischen Teil Londons, in dem ich mir etwas deplaziert vorkam. Unter anderem saß Crispin mit am Tisch, einer der Regisseure von Pauls Gameshow Surplus Value, und seine Freundin Claire. Außerdem GUS, der unvermeidliche, passable Single. Er war nicht übel, aber ich fühlte mich weit mehr angezogen von den beiden anderen Männern, Philip und Colin, zwei Bauunter-nehmern aus Australien. Beide schienen mir als Seelen-tröster für eine Nacht eine weitaus bessere Alternative zu sein als dieses männliche Wesen, dessen Namen ich bereits wieder vergessen hatte. Doch leider waren sie nicht nur schwul, sondern lebten auch zusammen. Ihre Fachkenntnis war nicht berauschend, aber in anderer Hinsicht hatten sie durchaus von der körperlichen Arbeit im Freien profitiert.
    »Du konntest dich also überhaupt nicht verständlich machen?« fragte Paul.
    »Doch. Aber am Ende blieb mir nur übrig aufzustehen und zu sagen: ›Ich gehe. Und damit meine ich, daß ich jetzt aus dem Zimmer gehe und es

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