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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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nie wieder betreten werde.‹ Worauf sie doch sage und schreibe antwortete:
    ›Wogegen wehren Sie sich?‹ Plötzlich sah ich mich für den Rest meines Lebens in diese Unterhaltung verstrickt, wie jemand, der unbarmherzig in einen Strudel gezogen wird. Also mußte ich leider zu ihr sagen, sie solle mir den Buckel runterrutschen. Dann stürmte ich – im wahrsten Sinne des Wortes – aus der Tür.« Ich nahm einen Schluck Wein und zog genüßlich an meiner Zigarette. »Und als ich zum erstenmal wieder klar denken konnte, saß ich hier und erzählte euch die Geschichte.«
    »Du hättest einen Eimer Wasser über sie schütten sollen«, sagte Paul. »Wahrscheinlich hätte sie sich in nichts aufgelöst. Trotzdem, alle Achtung!«
    »Aber weshalb haben Sie sich dagegen gesträubt?«
    Alle schwiegen. Die Frage kam von Gus, dem Lehrer, der bis dahin geschwiegen hatte.
    »Wie bitte?«
    »Sie haben der Sache keine Chance gegeben«, meinte er.
    »Ihre junge Therapeutin lag gar nicht so falsch. Wenn einer meiner Schüler mich fragt, warum wir Geschichte lernen müssen, sage ich ihm, er soll still sein. Allein die Tatsache, daß er noch so jung ist und von Geschichte keine Ahnung hat, bedeutet, daß er nichts von dem verstünde, was ich ihm erklären würde. Er kann diese Frage nur beantworten, indem er sich mit Geschichte befaßt.«
    »Rutschen Sie mir doch auch den Buckel runter!«
    Es entstand eine schreckliche Pause, bis Gus grinste und dann in schallendes Gelächter ausbrach, als wäre ich nicht hysterisch und unhöflich gewesen, sondern hätte einen geistreichen Witz gemacht. Es folgte eine freundlich-sachliche Diskussion über Psychotherapie; Erica und Gus äußerten sich eher positiv, während Paul behauptete,

    »man« hätte doch herausgefunden, daß Leute, die keine Therapie machten, rascher von ihren Neurosen geheilt würden als Leute, die sich in Behandlung begaben.
    Auf der anderen Seite des Tisches unterhielten sich Crispin und seine Freundin über etwas, was nur sie betraf.
    Ich fing an, die Teller abzuräumen, aber Paul, der rechts neben mir saß, gab mir zu verstehen, ich solle sitzen bleiben, und fragte mich leise:
    »Alles in Ordnung?«
    »Klar«, entgegnete ich vorsichtig. »Hast du Claud gesehen?«
    »Ja«, erwiderte er. »Ich habe heute morgen Squash mit ihm gespielt.«
    »Und?«
    »Er hat mich drei zu eins geschlagen.«
    »Das meine ich nicht.«
    »Was willst du hören? Es ist schwer für ihn.« Er überlegte eine Weile und faßte sich dann ein Herz: »Jane, mein Schatz, ich sage dir nur das eine – nein, eigentlich sind es eher zwei, drei Dinge, aber bitte antworte nicht.
    Erstens bist du meine Schwester, ich habe dich sehr gern und vertraue dir in allem. Claud ist mein bester Freund.
    War es immer und wird es immer sein. Daher ist es für mich ein bißchen kompliziert, aber das ist ein kleineres Problem. Zweitens behaupte ich nicht, daß Claud ein gebrochener Mann ist, doch Tatsache ist, daß er bis jetzt nicht sehr gut damit zurechtkommt, was in seinem Leben passiert ist. Er versteht wirklich nicht, weshalb du nach einundzwanzig Jahren diese Traumehe plötzlich gelöst hast.«
    Ich wollte etwas sagen, aber Paul hob die Hand. »Bitte sag nichts. Ich klage dich nicht an und kritisiere dich auch in keinster Weise. Du brauchst dich nicht vor mir zu rechtfertigen. Drittens …«
    Er hielt inne und nahm meine Hand. Ich dachte schon, er würde anfangen zu weinen, aber seine Stimme blieb fest.
    »Die Familie – unsere beiden Familien –, Natalie, unsere gemeinsamen Sommer, das alles hat mir so viel bedeutet, daß ich es kaum in Worte fassen kann. Wie heißt das Gesicht, das Dennis Potter für den Film Blue Remembered Hills verwendet hat, in dem die Erwachsenen in die Rolle der Kinder schlüpfen? Wie lautet noch mal der Text?
    Warte einen Moment.«
    Paul stand auf und polterte die Treppe hinunter, daß der Boden unter unseren Füßen bebte.
    Bewegung kam in die Tischordnung. Gus erhob sich, um sich zu verabschieden. Ich war ein bißchen traurig, weil wir nicht zusammen aufbrachen. Wir würden nicht einmal Telefonnummern austauschen. Er beugte sich über den Tisch und streckte mir die Hand hin: »Ich freue mich, Sie kennengelernt zu haben, Jane«, sagte er.
    »Ganz meinerseits«, erwiderte ich. »Und verzeihen Sie bitte, daß ich das zu Ihnen gesagt habe. Normalerweise sage ich so etwas bei Abendeinladungen nicht.«
    »Das macht es um so schlimmer«, sagte er, allerdings in ziemlich scherzhaftem Ton.

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