Der Glaspavillon
nicht über die Bilder und das Porzellan gesprochen. Außerdem gehören dir auch eine Menge Möbel.«
»Jane, kann ich bitte einen Drink haben? Du kannst ja gar nicht schnell genug die letzten Spuren von mir tilgen.«
Wir setzten uns an den Küchentisch, und ich füllte unsere Gläser mit einem roten, billigen Wein. Dann zündete ich mir eine Zigarette an und inhalierte den Rauch krebserregend tief. Wir plauderten zunächst über die Jungen, dann, erstaunlich entspannt, über Natalie. Ich hatte genug nostalgische Schwärmerei gehört. Claud sprach darüber, wie übermütig Natalie sein konnte, über die Streiche, die sie ausgeheckt hatte, über ihr Geschick, Geheimnisse zu lüften und Bündnisse zu schließen. Er sprach über die lebendige Natalie, nicht über das tote Mädchen, das man jetzt idealisierte. Diese Natalie hatte ich vergessen. Nun lebte meine Erinnerung an sie wieder auf. Claud und ich riefen uns besondere Augenblicke ins Gedächtnis zurück und füllten die Weingläser nach. Es war schwierig, den Ablauf der Ereignisse zu rekonstruieren, aber Natalie war in den Wochen vor ihrem Tod nicht so häufig mit Luke zusammengewesen. Sie war seiner überdrüssig geworden und hielt ihn auf Abstand, was ihn ärgerte und verwirrte. Er versuchte sie anzurufen und fragte überall nach ihr, bis er schließlich bei mir oder Martha landete.
Wir redeten über die berüchtigte Party, meine verschwommene Erinnerung an den darauffolgenden Tag und auch über Clauds und Alecs Flug mit Air India nach Bombay, der ihm haargenau im Gedächtnis geblieben war.
Mit sage und schreibe zwanzig Pfund hatten sich die beiden dort drei Monate lang herumgetrieben. Dreck, Dope und Durchfall. Ich hatte immer die Absicht gehabt, nach Indien zu fahren. Mir fiel ein, daß Claud und ich uns vorgenommen hatten, diese Reise eines Tages etwas stilvoller zu wiederholen, und hoffte, er würde nicht darauf zu sprechen kommen. Ich spielte mit einem antiken Schälchen, das auf dem Tisch stand. Es stammte von einem berühmten Künstler und war sehr teuer gewesen.
Ich hatte vergessen, ob Claud es mir oder ich es ihm geschenkt hatte.
Daran hätte ich jetzt besser nicht denken sollen. Als Claud das Glas hob und mich mit einem bitteren Lächeln ansah, empfand ich ein hoffnungsloses, wehmütiges Verlangen nach diesem Mann. Als wir verheiratet waren, kamen wir in Gesellschaft anderer Leute oft am besten miteinander aus. Ich beobachtete sein charmantes Verhalten oder sah, wie eine attraktive Frau seinen Arm umklammert hielt und über eine Bemerkung lachte, die ich nicht hören konnte. Dann erkannte ich, wie glücklich ich mich schätzen durfte. Fast alle meine Freundinnen beteten Claud an und beneideten mich, weil er so gut aussah, sich mir gegenüber so aufmerksam verhielt, so treu war. Daß er nie merkte, wenn Frauen mit ihm flirteten oder sogar versuchten, ihn anzumachen, machte ihn um so begehrens-werter. Plötzlich waren wir gefangen in verhängnisvollem Schweigen. Ich ahnte, was jetzt kommen mußte.
»Ich weiß, ich sollte das nicht sagen«, begann Claud, und ich begriff, daß er eine Rede vorbereitet hatte. »Aber all das hier«, er deutete auf das Chaos um uns herum,
»erscheint mir unsinnig. Erst sagst du, wir haben Probleme, und als nächstes finde ich mich irgendwo in einem möblierten Zimmer wieder. Ich meine, wir sollten es noch mal versuchen.« Seine Stimme klang schrecklich aufge-kratzt. »Es fällt mir schwer, das zu sagen, aber vielleicht könnten wir zu einer Beratungsstelle gehen.«
Ob ich wollte oder nicht, ich war gerührt: Claud hatte bisher für jede Art von Therapie immer nur Verachtung übriggehabt.
»Nein, Claud.« Ich verkniff mir eine Erklärung, gegen die er Einwände erheben konnte.
»Aber du bist nicht glücklich«, beharrte er. »Sieh dich doch an: Du rauchst ununterbrochen, du bist dünn und blaß. Du weißt, daß du einen Fehler begangen hast.«
»Ich habe nie behauptet, daß ich glücklich bin«, sagte ich.
»Aber ich muß mit dem leben, was ich mir ausgesucht habe.«
»Was habe ich falsch gemacht? Was habe ich dir getan, daß du das hier möchtest?« Er deutete auf das Zimmer, auf mich.
»Nichts. Ich will nicht darüber reden. Es ist sinnlos.«
»Steckt etwas dahinter, über das du nicht reden willst?«
fragte er verzweifelt. »Ist es Theo? Da, jetzt hab ich es ausgesprochen. Entspreche ich nicht dem idealisierten Bild, das du dir von ihm machst?«
»Hör auf, Claud, das ist lächerlich.«
»Ich könnte dir
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