Der Glaspavillon
hatte ein paar alte Damen erwartet, die hier vor dem Regen Zuflucht suchen würden. Aber was mich hier empfing, erinnerte eher an eine Demonstration gegen die Kopfsteuer. Auf der Bühne waren Chris und seine Leute. Doch nicht nur jeder Sitzplatz war besetzt, auch auf den Gängen drängten sich die Menschen, und ich mußte mir – Entschuldigungen murmelnd – einen Weg zur Bühne bahnen, wo Chris mich mit rotem, nervösem Gesicht empfing. Er hustete und füllte dauernd sein Glas aus der Wasserkaraffe nach. Als ich mich auf dem städtischen Plastikstuhl niederließ, beugte er sich zu mir herüber und flüsterte heiser: »So ein Menschenauf-lauf.«
»Und warum?« flüsterte ich fragend zurück.
»Die Leute aus der Grandison Road sind gekommen«, erklärte er. »Aber auch jede Menge aus der Clarissa Roas, der Pamela Road und der Lovelace Avenue.«
»Warum interessieren die sich alle für ein kleines Wohnheim?«
Chris zuckte die Achseln. Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr, nickte Chohan und Tindall zu, stand auf und bat um Ruhe. Das Gebrodel ebbte ein wenig ab.
Chris stellte uns alle vor und erläuterte in knappen Worten, dieses Projekt sei beispielhaft für die Bemühungen der Stadtverwaltung, die Krankenpflege effektiv zu gestalten. Man hoffe, das Wohnheim werde das erste einer ganzen Reihe solcher Einrichtungen im Bezirk, denn es handle sich hierbei um ein humanes, praktisches und kostendeckendes Therapiemodell für genesende psychiatrische Patienten. Gab es zu diesem Punkt irgendwelche Fragen? Eine Unzahl Hände schossen in die Höhe, aber der kahlköpfige Mann im grauen Anzug setzte sich durch.
»Bevor ich eine Frage stelle«, sagte er, »möchte ich erst einmal das zum Ausdruck bringen, was meiner Meinung nach die Stimmung dieser Versammlung beherrscht. Nämlich, daß wir Anwohner entsetzt sind, weil wir nicht nach unserer Meinung gefragt wurden, als man beschlossen hat, diese Einrichtung hier bei uns zu bauen. Das ist ein schändliches, hinterhältiges Vorgehen.«
Chris setzte zu einem Protest an, aber der Mann im grauen Anzug ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Bitte lassen Sie mich ausreden, Mr. Miller. Sie hatten bereits Gelegenheit, Ihre Meinung zu äußern. Jetzt sind wir an der Reihe.«
Was folgte, war eher ein Vortrag als eine Frage, aber die zentrale These war, daß eine psychiatrische Einrichtung nicht in ein Wohngebiet gehörte. Als der Mann fertig war, wandte sich Chris zu meiner Überraschung und meinem blanken Entsetzen an mich und bat um einen Kommentar.
Ich stotterte etwas davon, daß das Wohnheim keine psychiatrische Einrichtung im engeren Sinne sei. Soweit ich informiert war, sollte das Gebäude entlassenen Patienten dienen, die keine stationäre Betreuung benötigten. Die einzige Supervision würde darin bestehen, sich in bestimmten Fällen zu vergewissern, daß die Medikamente ordnungsgemäß eingenommen wurden. Deshalb war das Wohnheim weiter nichts als ein ganz normales Haus in einem Wohngebiet.
Jetzt stand eine Frau auf und sagte, sie habe vier Kinder im Alter von sieben, sechs, vier und knapp zwei Jahren, und es sei ja gut und schön, daß man über soziale Verantwortung rede, aber sie müsse in erster Linie an ihre Kinder denken. Die Schule in der Richardson Road sei nur zwei Straßen entfernt. Könnten die Ärzte denn hundertprozentig garantieren, daß die Patienten im Wohnheim keinerlei Gefahr für die Kinder darstellten?
Dr. Chohan versuchte zu erklären, daß es sich gar nicht um Patienten handelte, sondern um Personen, die entlassen worden waren, genauso wie man jemanden mit einem gebrochenen Bein aus dem Krankenhaus entläßt, wenn er wieder gesund ist. Und ebenso wie dieser Mensch vielleicht noch ein paar Wochen beim Laufen eine Krücke brauche, so brauchten manche psychiatrische Patienten eine Unterbringung, in der sie ein gewisses Maß an Betreuung erhielten. Patienten, nein, Menschen, korrigier-te er sich, Menschen, die möglicherweise eine Gefahr darstellten, wurden nicht in solchen Wohnheimen untergebracht.
Aber was war mit den Medikamenten? Wie wollten die Ärzte sicherstellen, daß die Patienten ihre Medikamente richtig einnahmen? Pauline erklärte, genau das sei das Entscheidende bei dem Modell, nach dem diese Wohnheime funktionierten. Sie habe Verständnis für die Sorgen der Anwohner, aber sie seien doch schon im frühesten Stadium der Planung informiert worden.
Potentiell gefährliche Personen (von denen es ohnehin nur sehr wenige gab) und solche,
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