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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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Erwartung, die im Raum stand, verdunkelte sich im Schlaf ebenso wie der tiefere Sinn, der mir wohl verborgen blieb.
    *
    Â»Hast du heute keine Vorlesung?«, fragte Clara.
    Â»Um elf.«
    Â»Da bist du ja schon spät dran, es ist bald zehn.«
    Ich riss mein Handtuch vom Bettgestell. Die beiden an der Tür hatten sich auch aufgerafft und fragten von der Schwelle: »Wer geht mit duschen?« Also ging ich hinterher.
    Es roch stickig nach heißem Dampf und durchfeuchtetem Wandanstrich. In den Ecken rann das Wasser von den Oberleitungen an den Rohren der Zentralheizung herunter. Unter den gelb gestrichenen und hie und da mit einem Nagel zerkratzten Fensterscheiben lagen die Morgenröcke, aus denen die zerknüllten Wäschestücke hervorsahen. Die Fersen in die überschwemmten Gummieinlagen gestemmt, reckten die Mädchen ihre nackten Körper unter dem stäubenden Wasserstrahl, nasse Strähnen klebten an den Köpfen, die Gesichter waren gerötet und die Augen nur halb geöffnet vor lauter Genuss. Hin und wieder ging die Tür auf, und ein Mädchen schlitterte auf dem nassen Zementboden bis zum Spiegel, um seinen hohen Haarknoten zu begutachten, aus dem sich im Nacken Locken kringelten.
    Â»Tür zu!«, kreischten dann alle und wehrten mit verschränkten Armen den kalten Luftzug ab.
    Dabei war die schon wieder weg, ihre Schritte hallten auf der Treppe, dann wagte sich eine aus dem gelb gekachelten Verschlag der Dusche hervor, schob ihren nackten Körper auf Schlappen bis zur offenen Tür und knallte sie genervt zu.
    Â»Was machst du denn da, ziehst du dich nicht aus?«, riefen sie zu mir herüber.
    Langsam ließ ich die Zahnbürste sinken. Im Spiegel vor mir hatte ich sie alle im Blick. Ich wandte mich um, den Kopf gesenkt, als wollte ich nichts sehen, dabei schielte ich mit verstohlener Neugier hinüber. Ihre Nacktheit bot sich üppig dar, genüsslich prägte ich mir die unterschiedlichen Formen der Brüste und Hinterteile ein. Keine war wie die andere, und auch ich musste mich dort in dem furchterregend gekachelten Verschlag mit meinem Körper ohne den Schutz der Kleidung konfrontieren.
    Â»Wenn du dich genierst, geh da hinten in die Ecke, die Birne dort ist schon vor einer Woche ausgebrannt …«
    Ich aber schüttelte stur den Kopf, ging ans Fenster und öffnete zähneknirschend einen Knopf nach dem anderen. Unter ihren Augen, die mich gar nicht sahen, zog ich mir das Unterhemd über den Kopf, gab meinen Körper der dunstig feuchten Luft preis und schob ihn auf unsicheren Beinen bis zu der Nische mit den gesprungenen Fliesen. Die Tür ging auf wie vorhin, jemand kam herein und ging hinaus. Meine Füße standen in einer Pfütze, der Abfluss war von Haarbüscheln verstopft, doch ich hatte keine Lust, mich zu bücken und sie herauszuziehen. Meine Hände zitterten, ich wusste nicht weshalb, hilflos drehte ich an den Hähnen herum, das allzu kalte und allzu heiße Wasser brannte auf meinen Schultern, ich sprang zur Seite und rutschte auf dem feuchten Zementboden aus. Abermals versuchte ich, die Wassertemperatur zu regulieren, und strengte mich an, mit jeder meiner Bewegungen ihre nachzumachen, berechnend und fremd. Nur dann und wann schien mir, als wäre ich noch irgendwo draußen und betrachtete von dort sie und mich, nach wie vor mit genüsslicher Neugier.
    *
    Â»Der blonde Typ, der dich gestern hat rufen lassen, ist das dein Freund?«, fragte mich die Predescu. Sie war fertig angezogen, auf dem Sprung zum Seminar, und kämmte sich vor dem angelehnten Fenster. In ihrer Stimme lag so wenig Neugier, dass ich sofort in möglichst gleichgültiger Tonlage antwortete: »Bloß ein ehemaliger Mitschüler …«
    Es war immer dasselbe Elend mit Mihai. Seine alte Lässigkeit und sein brutales Lachen hatten etwas Aufdringliches, ich konnte nicht begreifen, wieso mir das bisher nie aufgefallen war. Auf der Straße redete er zu laut und lachte über nichts und wieder nichts, ich schwieg und beobachtete ab und zu seine unsicheren Bewegungen, in denen ich befremdet meine eigenen wiedererkannte. Trotzdem ging ich immer hinunter, wenn er mich rufen ließ, um nicht allein im Zimmer zurückzubleiben.
    Mich bedrückte auch, wie wir uns alle zu später Stunde im Dunkeln am Fenster drängten, um in der hell erleuchteten Wohnung gegenüber einen jungen Mann zu beobachten, der seine Hose

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