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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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sehen, es ist besser als bei Verwandten … Ich habe auch welche, bei denen ich wohnen könnte, aber die haben ständig ein Auge auf einen und wollen wissen, was man tut und wo man hingeht …«, zischte sie zwischen den Zähnen, dann knallte sie den Spiegel auf den Tisch, erhob sich gähnend und begann sich auszuziehen, wobei sie jedes einzelne Kleidungsstück sorgsam faltete und über die Stuhllehne hängte.
    Â»Du glaubst wohl, das ist eine wie du, Predescu«, kicherte es aus einem der Betten.
    Marta kam und gab mir einen kleinen schwarzen Schlüssel an einer Schnur. »Räum deine Sachen in meinen Schrank, LetiÅ£ia.«
    Â»Um die mache ich mir keine Sorgen«, antwortete die Predescu, beugte ihren fülligen weißen Oberkörper mit den rötlichen Trägereindrücken und suchte am Kopfende des Bettes nach dem Pyjama. »Ich seh schon, wie in ein paar Monaten die Männer abends nach ihr fragen und ich hinuntergehe, um ihnen zu sagen, dass sie nicht zu Hause ist. Was bleibt uns anderen denn sonst auch übrig? Wir sind ja verheiratete Frauen …«
    Erstaunt sah ich sie an. Das Wort Männer hatte sie so bestimmt und wissend ausgesprochen, wie ich es noch nie gehört hatte. Ich schielte nach ihren Fingern, doch keine trug einen Ehering. Die beiden auf dem Bett hatten gemerkt, wonach ich Ausschau hielt, und lachten genüsslich.
    Â»Lasst sie doch in Ruhe, habt ihr denn sonst nichts zu quatschen?«, fuhr Marta sie an. Dann, leise, zu mir: »Häng nur deine Kleider in den Schrank, lass alles andere im Koffer, es hat eh keinen Platz …«
    Â»Nur gut, dass auch die Marta jemanden hat, dem sie Anweisungen geben kann«, sagte die Predescu, dann begannen sie zu streiten, ob das Licht abgedreht werden sollte oder nicht.
    Ich setzte mich auf eine Ecke des Bettes und wartete, dass sie ein Ende fanden, dass es dunkel wurde und auch ich mich ausziehen konnte. Irgendwann ging Marta und drehte am Schalterknopf, wobei sie sagte, es sei elf und so abgemacht, daraufhin ging Clara, das Heft in der Hand, hinaus und knallte die Tür, nur die beiden auf dem einen Bett tuschelten weiter, bis die Predescu keifte: »Verdammt, das ist ja die Höhe, wenn ihr nicht schlafen wollt, geht doch hinaus …«
    Dann huschten ihre verschwommenen Schatten durch den Raum, sie stießen an eine Ecke des Tisches, dass die Gläser darauf klirrten. Durch das Lichtviereck der Tür, in dem sie standen, kam über den Gang das Tropfen des Wasserhahns im Bad, dann verhallten ihre Schritte auf dem grünen Linoleum. Es war wieder dunkel, die eine in der Ecke schnarchte schon, und Marta warf sich auf der Matratze herum, dass die Federn krachten. Stumm und starr presste ich meine Wange ins Kissen, spürte das neue Bett am ganzen Körper und konnte mich überhaupt nicht mit ihm anfreunden. Das Zimmer mit seinen großen Fenstern war nach außen hin offen. Von unten brandete dumpf der Straßenlärm herauf, und das immergleiche und doch verstörende Rattern der Straßenbahn ließ mich immer wieder aufschrecken. Woher kam dieses ängstliche Glücksgefühl, das unter meinen Lidern kaum wahrgenommene Gesichter und unbekannte Straßenbilder auftauchen ließ? Was werde ich denn jetzt machen, fragte ich mich, und die Erregung ließ mich ängstlich erschauern bis in die Fingerspitzen. Auf dem Gang ging hin und wieder eine Tür auf und fiel krachend ins Schloss, aus einem Zimmer war ein Kofferradio zu hören. Ich versuchte festzustellen, wie spät es war, schaffte es aber nicht, denn hier in der hintersten Ecke war das Dunkel der Nacht vom Neonlicht vernebelt. Ich schlich zum Fenster und verharrte eine Weile, die Ellbogen auf das Fensterbrett gestützt. Hoch oben, über den Blocks, leuchteten Großbuchstaben auf und erloschen gleich wieder, gebannt verfolgte ich, wie sie rot aufblinkten: LEST TÄGLICH DIE SCÂNTEIA . Die Schwingtür des gegenüberliegenden Restaurants spuckte Paare und Rudel lärmender Zecher auf den Bürgersteig. In der Nähe wankte die Gestalt eines Mannes langsam die Treppen zu einem Pissoir hinauf.
    Â»Was machst du da, gehst du nicht schlafen?«, wisperte Clara.
    Sie war so leise eingetreten, dass ich sie nicht gehört hatte, und jetzt legte sie ihr Heft auf das Nachtschränkchen. Wie auf frischer Tat ertappt, schlich ich zu meinem Bett und versuchte mich mit ihm anzufreunden. Die

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