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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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Erst später kam sie dann herunter in den Aufenthaltsraum und trug einen Anorak über ihrem Morgenmantel, den sie mit dem Gürtel hochgerafft hatte.
    Mittlerweile hatte auch ich herausgefunden, wer der Freund der einen oder anderen war und wie die Treffen abliefen, denn wenn sie zurückkamen, erzählten sie alle der Reihe nach. Im Winter gingen sie öfter ins Kino oder, wenn es kalt war und sie kein Geld hatten, ins Kaufhaus Victoria , monatelang teilten sie sich zu zweit eine Essenskarte, und von dem so gesparten Geld kauften sie sich einen Pulli aus dem Kunsthandwerksladen Romarta oder Schuhe für dreihundert Lei.
    Â»Im Sommer verloben wir uns«, verkündete manchmal eine im Dunkeln.
    Ich merkte dann, wie die anderen sich in den Betten wälzten, sie hassten sie dumpf für die Zielsicherheit, mit der sie losgesegelt war und Land entdeckt hatte.
    Nun, die Jahre, die ich jünger war, gewährten mir noch eine gewisse Freiheit. Mit dem Gedanken, dass ich noch Zeit hatte, konnte ich dann und wann auch allein bleiben am Samstagabend, ich kaufte mir keine Blumen und wischte lustlos Staub, wenn ich Stubendienst hatte.
    Â»Was die Kleine doch für ein Durcheinander macht …«, tuschelten sie manchmal miteinander.
    Ich tat weiter, als würde ich schlafen. Wenn ich in einem höheren Semester bin, sagte ich mir, werde auch ich mich verloben und heiraten wie sie. Nur durfte er keinem ihrer Freunde ähneln, und bis dahin wollte ich auch noch etwas Besonderes erleben, worauf ich seit Jahren wartete. Allerdings wusste ich nicht, wie oder wo das zu finden war, also blieb ich manchmal am Samstagabend allein im Zimmer zurück.
    *
    Zurück blieb ich eigentlich mit Marta, wenn die anderen tanzen gingen oder verabredet waren. Immer seltener durchbrach in unserem Rücken der Knall einer Tür die Stimmen auf dem Flur und das Rauschen des Wassers in der Dusche und auf dem Klo. Dass der Abend zu Ende ging, wussten wir, wenn der letzte Signalpfiff für eine kam, die im Erdgeschoss wohnte, ein Motiv aus der Neunten Symphonie. Die Witzeleien auf seine Kosten hatten wir satt, so dass wir uns nicht einmal mehr mit halb toupierten Frisuren und offenen Morgenmänteln aus dem Fenster lehnten. Unten am Treppenabsatz warteten noch ein paar Jungen, in ihre guten Samstagsjacketts gezwängt und erstarrt unter den Blicken, die sie in jedem Fenster vermuteten. Vor dem Tor verhandelte eine große Gruppe lauthals und mit schrillem Gelächter, wo es hingehen sollte, ein paar Mädchen, die nichts vorhatten, unterhielten sich, auf den Fensterbrettern kniend, mit Unbekannten. Zwischen ihren Knien und Schultern lugten verstohlen andere hinaus, die auf sich warten ließen, dahinter lagen die Zimmer mit den zerwühlten Betten, den frisch gebügelten Kleidern auf den weißgestrichenen eisernen Bettgestellen und den Tischen, auf denen die Wurst- und Käsebrote vom Frühstück vor sich hin gammelten.
    Zurück blieben nur ich und Marta, wobei ich nie sicher sein konnte, ob sie nicht vielleicht doch verabredet war. Hinter ihrem Rücken lachten wir sie aus, denn sie erzählte nie etwas. Ich glaube allerdings, irgendwann hat auch sie etwas erzählt, damals, als sie sich schon zwei Stunden im Voraus kämmte und immer wieder den Rock auslieh, der ihr einmal Glück gebracht hatte. Damals war sie immer viel früher fertig und begann darauf zu warten, dass einer sie rufen ließ, wobei sie ungeduldig zwischen Bad und Zimmer hin- und herwanderte. Unzufrieden musterte sie sich in dem beschlagenen Spiegel, zögerlich setzte sie ihre Schritte auf dem Linoleum des Flurs. Manchmal überwand sie sich, dann sah ich, wie sie sich in einem Nebenzimmer auf ein Gespräch einließ, doch gleich darauf kam sie rasch zurück, das steife Armband der russischen Uhr im Blick, für die sie die dreihundert Lei ausgegeben hatte, die zum Monatsanfang von daheim gekommen waren.
    Â»Hat mich niemand gesucht?«, fragte sie verzagt.
    Später wagte sie sich dann gar nicht mehr aus dem Zimmer. Sie starrte auf das Fenster und zuckte jedes Mal zusammen, wenn die Tür aufging.
    Â»Eine Predescu, die soll runtergehen«, rief ein Mädchen herein, das von unten kam.
    Marta wandte sich wieder zum Fenster und wartete, während die Mädchen nach und nach das Zimmer verließen. Auch die letzten hatten erfahren, wo getanzt wurde, und gingen, wobei sie in der Tür noch einmal nach ihren

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