Der gleiche Weg an jedem Tag
Mutter und ging zur Tür. Als sie sie öffnete, flogen die Blätter des Onkels wirr durcheinander. Sie kam zurück, bückte sich ächzend, las sie auf, schichtete sie wahllos übereinander und knallte ein Buch darauf.
»Leg sie so hin, wie sie waren«, murrte der Onkel gereizt. Allerdings stand er selbst sofort auf, ging zum Tisch und ordnete sie nach den akkurat eingekreisten Seitenzahlen am oberen Rand.
»Da gäbe es noch eine Lösung«, sagte er und sog an der erloschenen Zigarette. Er verzog das Gesicht und streckte die Hand schwerfällig nach den Streichhölzern auf dem Nachtschränkchen aus. Dankbar sprang ich auf, riss eins an und sah ihm gerade in die Augen.
»Zu dieser Wohnung gehört ein groÃer Verschlag im Untergeschoss«, sagte er. »Dort haben wir alle Möbel untergestellt, die hier nicht reinpassen, auch die Bibliothek ⦠Nur so, provisorisch â¦Â« Er hielt inne und sah Mutter fragend an. »Wir könnten auch dieses groÃe Bett hinuntertragen, Platz ist genug ⦠Wir, Margareta und ich, könnten ein paar Tage in dem Verschlag übernachten ⦠Dem Mädchen kannst du sagen, wir hätten noch irgendwo ein Zimmer, damit es ihr nicht peinlich ist ⦠Ein paar Tage, da kommt keiner um, ich denke, das geht â¦Â«
Ich schwieg und rang die Hände im SchoÃ, sie waren feucht geworden. Ich wollte das nicht annehmen, wusste aber, dass es keine andere Lösung gab. Mutter wagte ich nicht anzusehen, sie atmete schwer, es war eher ein Keuchen.
»Diese Schlepperei hat aber auch gar kein Ende â¦Â«, murmelte sie irgendwann. Ihre Stimme klang weich, vielleicht hatte sie es satt, Onkel Ion ständig zu widersprechen, oder sie sah ein, dass dies wirklich die einzige Möglichkeit war.
*
Ich hatte schon genug von diesen weiÃen Wänden mit Löchern von den Nägeln unserer Mitbewohner und den Möbeln, die so schnell verstaubten, als wüssten sie um das Provisorium und den Wartezustand. Und dann all die kleinen Dinge, die unnötig herumlagen, Kleider- und Haarbürsten, Bücher, Gläser, der Schuhlöffel und eine Tischlampe ohne Schirm, die nicht eingesteckt war. Sie alle hatten den gewohnten Duft von daheim verloren ⦠Der Heizkörper war zu schwach, vielleicht fröstelte ich aber auch vor Müdigkeit. Ich kauerte mich in dem groÃen Bett zusammen, die Federn krachten und bebten auf die altbekannte Weise lange nach, ich bettete meinen Kopf zum Schlafen auf dem längst vergessenen Kissen. Nein, ich wollte nicht daran denken, und doch begriff ich jetzt, dass in der GroÃzügigkeit, mit der ich Marilena eingeladen hatte, auch etwas Zwanghaftes lag. Lange Zeit hatte ich gemeint, ich sei anders als Mutter und als Onkel Ion, ich war mir sicher gewesen, dass ich die Umsicht hasste, mit der sie den Schein wahrten, und ihre Scham, in jenem Haus zu wohnen, jetzt aber war auch mir nicht klar, was Marilena hier bei uns zu suchen hätte. Ich hatte es nur getan, um mich ihr gegenüber groÃzügig zu erweisen, ich hatte mich bemüht, ihr ähnlich zu sein, aber mein wahres Wesen war, wie sich zeigte, ein anderes. Ich fühlte mich wie dann, wenn ich das Paket, das ich gerade von daheim bekommen hatte, öffnete und auf dem Tisch lieÃ, ohne darauf zu achten, wer sich daraus bediente, wenn ich mich zwang, den anderen alles zu gönnen und nicht mehr zu nehmen als sie, und dennoch, ohne es zu wollen, die Kuchenstücke zählte, die zwischen den zuckerbepuderten Blättchen übrig waren, und mich fragte, ob Mutter, als sie ihn gebacken hatte, gerade Gehalt bekommen oder sich etwas geliehen hatte.
Mutter holte den Staublappen hinter dem Schlafsofa des Onkels hervor und begann über die Anrichte zu wischen.
»Ganz zerkratzt ist sie, die Ãrmste«, sagte sie und trat einen Schritt zurück, um sie zu betrachten.
Auch ich stand auf und begann, weil ich nicht wusste, wo anfangen, die Bündel an der Wand aufzuknoten. Darin alte, halb verschlissene Kleider, ReiÃverschlüsse, zerknautschte Hüte, eine Kaffeemühle, schartige Unterteller.
»Was für ein Kram ⦠Wo soll das denn hin?«, fragte ich versöhnlich.
Unvermittelt sprach Mutter mich an: »Wo reitest du uns da bloà rein ⦠Diese Leute, ihre Eltern, die wissen ja wohl auch das Ihre ⦠Meinst du, uns würde es passen, wenn uns jemand so was
Weitere Kostenlose Bücher