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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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antäte?«
    Â»Aber was habt ihr denn damit zu tun?«, gab ich etwas kleinlaut zurück.
    *
    Stufe für Stufe gingen wir hinunter, die Augen aufmerksam gesenkt. Die Last schnitt mir schmerzhaft in die Finger. Es miefte und stank nach Fäulnis, aus den weiß gestrichenen Rohren tropfte Wasser.
    Â»Bleiben wir stehen, verschnaufen wir ein bisschen«, sagte Onkel Ion. Er lehnte die Rückenlehne des Bettes gegen die Wand und versuchte schwerfällig, die verspannten Schultern zu lockern. »Los, noch ein Stückchen, dann haben wir es geschafft, nur noch das Schlafsofa …«
    Er stieß die Tür zu dem Kellerverschlag weit auf. Durch das vergitterte Fenster drangen staubflimmernd weiße Lichtbalken herein, in nächster Nähe hörte man Trippeln, dann tat es einen dumpfen Schlag gegen die Mauer. Es waren die Kinder, die vor dem Block Ball spielten. In den Regalen der Bibliothek lagen feuchte Bücherstapel, mit Schnüren gebündelt. Die Stühle stapelten sich bis zur niedrigen Decke, an der eine gelbe Birne voller Fliegenschiss hing. Vorsichtig gingen wir an den Schubladen des Schranks entlang, in denen das gute Geschirr aufbewahrt wurde.
    Â»Es wäre besser, wenn ich hier schlafe«, sagte ich, während mir vor Atemnot übel wurde.
    Mit Onkel Ion hoben wir die Rückenlehne an, um sie in den Rahmen einzusetzen.
    Â»Du schon wieder …«, antwortete Onkel Ion mit pfeifendem Atem und fasste nach der Kippe, die ihm im Mundwinkel ausgegangen war. »Du bleibst oben mit dem Mädchen, lass mal, du wirst sehen, wie toll wir hier schlafen. Und morgens, noch bevor ihr wach seid, haben wir in der Küche auch schon unseren Kaffee getrunken.«
    Plötzlich lachte er auf. »Endlich hat auch Margareta eine Gelegenheit, ihr Tischservice hervorzuholen. Schon ewig hebt sie es auf für den Tag, an dem die Gäste ihrer Tochter auftauchen … Oder was suchst du denn da?«, fragte er Mutter.
    Â»Die Silberlöffelchen, weißt du vielleicht, wo ich sie hingetan hab?«, antwortete sie. Vor sich hin brummend beugte sie sich über den geflochtenen Korb, den wir den »Korb aus der Notunterkunft« nannten, und wir machten uns weiter an dem Bett zu schaffen.
    Â»Da sind sie ja«, rief sie und wickelte triumphierend die schwarze, an den Ecken bestoßene Schachtel aus einem zerrissenen alten Barchentnachthemd. Das Futter aus abgesteppter Seide war an den Zwischenwänden stellenweise durchgescheuert, die ziselierten geschwungenen Löffelstiele waren gelblich bis schwarz gefleckt.
    Â»Ich gehe hinauf und scheuere sie mit Zahnpasta«, sagte sie und sah uns beglückt an. Eine Weile noch waren ihre Schritte zu hören, wie sie sich auf der Treppe entfernten.
    *
    Â»Der stellvertretende Direktor hat mir heute gesagt, wenn ich einverstanden bin, könnte er es einrichten, dass mir das Parteibuch zurückgegeben wird. Ich habe ihm, natürlich auf Umwegen, zu verstehen gegeben, dass das keinen Sinn mehr hat …«
    Keuchend bückte sich Onkel Ion, um die Schnürsenkel zu lösen, und kam gleich auf etwas anderes zu sprechen: »Was ist nun mit dem Mädchen? Wann kommt sie?«
    Â»Weißt du doch … LetiÅ£ia holt sie morgen früh vom Bahnhof ab.« Mutter ließ ihn nicht aus den Augen, ihr Atem flog vor Erregung. »Wieso schweigst du denn jetzt? Sag alles, wenn du schon damit angefangen hast …«
    Â»Was soll ich denn sagen? Er sagt, es hätte nicht sein müssen, man habe Fehler gemacht …«
    Â»Und du hast natürlich nicht gefragt, wieso sie es nicht früher gemerkt und dich in einer Art und Weise gefeuert haben, dass du ewig lang ein Bündel mit warmen Sachen bereitgehalten hast für den Fall, dass sie kommen und dich verhaften …« Ihre Mundwinkel verzerrten sich zu einem seltsamen, ironisch mitfühlenden Lächeln, als wäre das, was der Onkel heute erlebt und wobei er wie gewöhnlich eine günstige Gelegenheit verpasst hatte, keineswegs eine Überraschung für sie.
    Â»Was hätte ich denn noch fragen sollen, es sind ja nicht mehr die von damals«, entgegnete er sofort mit einem Lächeln und öffnete seine pralle Aktentasche. »Kommt, trinken wir ein Glas Wein«, sagte er, »da ist die Flasche, aber stell sie erst mal in der Spüle kalt.«
    Als ob sie gar keine Geschwister wären, dachte ich und beobachtete sie, so lange haben sie

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