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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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auf der Allee grüßte sie hin und wieder Frauen mit durchsichtigen schwarzen Trauerstrümpfen, die ebenso einsam waren wie sie.
    Â»Sie hatten mir doch irgendwas von einem Kreuz erzählt …«, sprach sie den Verwalter an und blieb vor seiner Bude stehen.
    Der erhob sich vom Tisch, klappte das verschlissene Register zu und dehnte mit den in die Taschen gerammten Händen seinen Hosenbund über dem weich gewölbten Bauch. »Und zwar?«, sagte er und schob Mutter die breiten Männerschultern mitsamt den Dünsten entgegen, die aus den feuchten Flecken in den Achselhöhlen stiegen.
    Â»Ein Kreuz, Sie wissen ja, von der dritten Seitenallee, links …«
    Â»Ach ja«, erinnerte er sich, schob den speckigen Filzhut mit einem Finger nach oben, so dass seine verschwitzte Stirn mit den roten Striemen zu sehen war. »Ich kenn das Kreuz … Warten wir noch ab, gute Frau, sagen wir zwei oder drei Monate, und wenn es bis dahin keiner für sich beansprucht, dann bleibt es bei unserer Abmachung. Wir machen’s dann zurecht, perfekt machen wir’s hier zurecht für Sie. Ich red’ dann mit dem Steinmetz …«
    Â»Dass Sie ja nicht vergessen und es einem anderen geben«, sagte Mutter und verzog sich aus dem Dunst von Gnadenbrot, Kerzen und fauligem Dunkel ans Tageslicht.
    Â»Aber ich bitte Sie! Das ist alles abgemacht, ich habe Sie nur nicht gleich erkannt, hier kommen so viele Leute vorbei, die kann man nicht alle im Sinn behalten … Sehn Sie doch selbst, wie ich hier sitz’, ich rühr’ mich nicht, du bist umgezogen vor der Zeit, sagt mein Weib, geh doch schon mal weg da, nachher bleibst du eh dort. Wie sollte ich denn weggehn? Wenn man diesen Leuten nicht hinterher ist, gammeln die nur rum. Man hat hier halt kein Programm, acht Stunden absitzen und Feierabend machen wie andere Leute …«
    Sie ging dann, und unterwegs wehte sie der allzu süße Moorgeruch der Weiden an, die weißlich schimmerten in der Nacht. Tief drang er in sie ein, bis hin zu den fernen Jahren der Kindheit, doch sie vergaß ihn sofort, ohne ihn richtig wahrgenommen zu haben, und zählte die Tage bis zum nächsten Gedenkmahl, das in die Fastenzeit fiel, und überlegte, was es dann geben sollte. »Fisch«, sagte sie sich, »und wenn nicht, dann eben fastenmäßig fleischlose Krautwickel … Teller müsste es auch geben, obwohl, wenn ich ihn fragte, würde er sagen: Zigaretten … Genau, Zigaretten darf ich nicht vergessen«, seufzte sie, »auch wenn gerade die ihn den Kopf gekostet haben …«
    *
    Â»Der will aber richtig Geld von Ihnen, gute Frau, der gottverfluchte Spekulant, für ein herrenloses Kreuz«, sagte die Sekretärin und strich das ziemlich ausgebeulte Kleid an ihrem weichen Körper glatt. »Aber na, wenn man ein neues nimmt …« Sie hielt sich mit beiden Händen an den zugespitzten Zaunpfählen fest und reckte ihr wächsernes Gesicht darüber. »Kommen Sie doch kurz rein, im Haus ist es kühl …«
    Â»Um diese Zeit nicht mehr«, sagte Mutter, »ich gehe jetzt lieber, denn seit heute Morgen bin ich auf den Beinen …«
    Â»Ist auch besser so«, antwortete die andere und sah sich flüchtig im Hof nach ihren Kindern um. »Ist auch besser so«, wandte sie sich wieder an Mutter, »dann schlafen Sie traumlos die ganze Nacht …«
    Â»Na ja, mein Schlaf …« Mutter stockte, dabei hatte sie sagen wollen: Nur ich weiß, wie ich Nacht für Nacht aufstehe und stundenlang dasitze und vor lauter Stille das ganze Haus in meinem Kopf dröhnt …
    Â»Wissen Sie, Frau Branea«, fiel der Sekretärin plötzlich ein, als sie sah, dass Mutter sich zum Gehen anschickte. »Heute, gleich nachdem Sie gegangen sind, gab’s einen Skandal. Die Neue hat sich mit der Direktorin gestritten, die wären fast aufeinander losgegangen. Ihr macht hier, was ihr wollt, hat sie zu denen gesagt, aber ich geh’ und zeig’ euch an. Bis zum Bürgermeister geh’ ich und sag’, sie sollen ermitteln, ich hab’ Zeugen, hat sie gesagt, woher sie’s hat, weiß ich nicht, ich weiß nur von der armen Niculina, dass sie bei der Direktorin zu Hause Teppiche gesehen hat, die aus den Inventarlisten gestrichen worden sind, auch Vorhänge und sonst einiges … Die beiden arbeiten Hand in Hand, die Direktorin und

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