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Der gleiche Weg an jedem Tag

Der gleiche Weg an jedem Tag

Titel: Der gleiche Weg an jedem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Adamesteanu
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die Verwalterin, aber mit dieser Neuen läuft das nicht mehr, denn der Mann von der Neuen ist eine große Nummer beim Bezirk, der hat sie in der Hand …«
    Â»Ach so«, sagte Mutter und merkte plötzlich auf. »Aber haben wir denn nicht auch den Mund aufgemacht? Und was hatten wir davon? Wir haben keine Prämien mehr gekriegt. Die haben ihre Männer ganz oben …«, seufzte sie mit lang angestautem Groll. »Und wenn eine Prüfung kommt, dann weiß die sie schon einzuwickeln, sie schließt sich mit denen im Büro ein und …«
    Â»Nein, so wird’s nicht mehr gehen«, sagte die Sekretärin und umklammerte die Zaunpfähle. »Ich sag’s Ihnen, ich war zwar nicht dabei, aber die hat keine Angst, sie hat eine Position, und ihr Mann auch.«
    Â»Ich muss jetzt gehen«, antwortete Mutter. »Ich muss noch zum Konsumladen, etwas einkaufen, denn zu Hause habe ich nichts mehr zu essen …«
    Unterwegs aber überlegte sie, dass sie eigentlich gar keinen Hunger hatte. Wozu noch einkaufen, schwankte sie, was brauche ich denn schon, das Mittagessen in der Kantine reicht mir. Der saure Geruch in der alten Küche im Hof mit dem vielen zum Spülen gestapelten Geschirr und Essensresten, über denen die Fliegen summten, kam in ihr auf, sie dachte an das Gerenne jener Tage. Es war besser damals, sagte sie sich, auch wenn ich nie fertig wurde mit der Arbeit und manchmal am liebsten im Stehen eingeschlafen wäre.
    Sie ging an den kleinen, noch nicht abgerissenen Häusern mit Tomaten- und Zwiebelstreifen in den Vorgärten entlang. Aus einem stets geöffneten Tor drangen Staub- oder Zementwolken von einem Betonmischer, und die Arbeiterinnen einer Schicht aus dem hinteren Teil des unendlichen Fabrikhofs waren gerade auf dem Heimweg. Mit gesenktem Blick nahm Mutter nur die Beine wahr, über denen gewichtige, sich unter den Sommerkleidern abzeichnende Hinterbacken wabbelten. Die warme Luft stand, und ihr schien es, als atmete sie kaum. An dem grünen Erfrischungsstand an der Ecke hatte sich eine Schlange gebildet, auch sie trank wie alle anderen mit gierigen Schlucken aus der Flasche, ihre Gesichter glänzten, die Haare klebten an der Stirn. Sie näherte sich jetzt dem Neubauviertel, zu beiden Seiten des Weges lagen weitläufige Brachen, an deren Rändern farblos strähniges Gras, Löwenzahn und Disteln wuchsen. Aus einem Gebüsch drang Verwesungsgestank, und für einen Augenblick überließ sie sich fast lustvoll angewidert dem Geruch. Die letzten Blocks standen zur Hälfte fertig zwischen Gerüsten und Kränen, in einem Rohbau hingen schon Vorhänge oder Zeitungspapier, standen sogar Blumentöpfe im Fenster. Rund um die unfertige Rutsche tollten Schwärme von Kindern schreiend hinter dem Ball her, auf den grünen Bänken nebenan strickten Frauen und dämmerten alte Leute vor sich hin. Mutter machte einen Bogen um den Konsum, der nach Putz und frischer Ölfarbe roch. Davor Kistenstapel mit leeren Flaschen. Es war noch nicht geöffnet, ein Häuflein Frauen mit Einkaufsnetzen in der Hand schwatzte, zwischen ihnen wuselten Kinder herum. Abseits las ein Mann Zeitung. »Dann kaufe ich halt doch noch etwas«, sagte sie sich und blieb in der menschenfeuchten Luft stehen. Sie spürte die Körper um sich und die lange geübte Geduld. Wenn ich jetzt noch jemanden dabei hätte, könnte der sich an der Kasse anstellen, und wir wären viel schneller fertig … Sie hörte, wie die Hand der Kassiererin ärgerlich in die Tasten haute, und betrachtete ihr platinblondes Haar, ohne es zu sehen. Es wird regnen, sagte sich Mutter, ganz bestimmt, diese Schwüle … Auch dort bei ihm wird es regnen, bloß gut, dass wir damals die Grabstelle mit Krypta gefunden haben … O Gott, seufzte sie und durchsuchte ihre Brieftasche, der Ärmste, wenn er doch noch ein paar Jahre bei mir geblieben wäre, es wäre doch nicht zu viel verlangt gewesen, dass wir gemeinsam erlebt hätten, wie das Mädchen aus dem Gröbsten raus ist …
    Â»Das war ein Fünfziger«, sagte sie und zählte noch einmal die drei Scheine durch, die sie übrig hatte.
    Â»Von wegen fünfzig, fünfundzwanzig waren’s«, keifte die Kassiererin und riss die Geldschublade auf, in der das Kleingeld klirrte. »Hier hab ich sie hingetan, wo haben Sie Ihre Augen?«
    Â»Es war ein

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