Der globale Polizeistaat
mutigste Supreme Court-Richter nicht mitmachen können. Der Ausweg: Im Zweifel zwischen Krieg
und Frieden, zwischen Kriegsrecht und Menschenrechten schlugen die Richter den Konflikt mit Al Kaida dem Krieg zu - etwas gewaltsam als »nicht internationalen bewaffneten Konflikt«. Mit »nicht international«, so kommentierten Beobachter das Orakel von Washington, sei eben gemeint gewesen, dass es sich nicht um einen Konflikt zwischen Staaten, sondern um eine Auseinandersetzung mit Rebellen handele.
Der Machtspruch der Verfassungsrichter in Washington hat die Grenze zwischen Krieg und Frieden jedenfalls verschoben. Die Geltung der Menschenrechte ist für den Kampf gegen den Terrorismus weltweit beseitigt worden. Weltweit? Der amerikanische Supreme Court ist kein Völkerrechtsgericht, seine Urteile binden nur die Amerikaner. Tatsächlich haben die terrorgeplagten Spanier ebenso wenig wie die ebenso terrorgeschädigten und zudem USA-nahen Briten die problematische Anregung aus der Zentrale der Weltmacht beherzigt. In Spanien beschäftigt sich noch immer die Guardia Civil mit dem Terror, in London Scotland Yard. Gleichwohl ist die Bedeutung des Hamdan-Urteils für die Weltordnung nicht zu unterschätzen: Beim Supreme Court sitzen die mächtigsten Juristen der Welt. Eiskalt, ohne Ideen wie den Schutz der Menschenwürde auch nur in einer Fußnote zu erwähnen, haben die Richter in mehreren Urteilen über die Zustände in Guantanamo zwar ihrer Regierung Grenzen gesetzt, aber an der Kriegsdoktrin festgehalten. Auf dem battlefield , so schreiben sie, trete die Nation dem Terror entgegen.
Wird der Weltkrieg gegen den Terror Völkerrecht? Die Lehre des Supreme Court, fürchtet der Kölner Völkerrechtsexperte Claus Kreß, der die US-Rechtsprechung intensiv verfolgt, »wird sich wohl völkerrechtlich verfestigen«. Das bedeutet, dass sich in absehbarer Zeit die völkerrechtlichen Falken auf das Urteil berufen werden - und eines Tages wird der Hamdan-Fall dann, so wie der Fall »Caroline«, Völkergewohnheitsrecht.
Drittes Kapitel
Der Untergang des Staates
Das Gelände um das Hotel Schwielowsee bei Berlin ist einfach abzuschirmen gegen Gefahren aller Art. Der See begrenzt das Grundstück zur einen Seite, ein Wäldchen, von Hunden bewacht, zur anderen. Es gibt nur eine enge Zufahrtsstraße, mehrfach hintereinander gestaffelte Polizeiposten können den Weg eines jeden Besuchers durchs Gelände kontrollieren.
Der Konvoi schwarzer Limousinen, der am Morgen des 30. November 2007 durch die Polizeiabsperrungen auf das Gelände gewinkt wurde, lohnte jede Prävention: Bei Havelzander und badischem Wein trafen hier die obersten Terrorbekämpfer aus Amerika und Europa zusammen. Innenminister Wolfgang Schäuble war dabei, der damalige US-Heimatschutzminister Michael Chertoff, Kollegen aus Spanien, Frankreich, Großbritannien, Polen und Italien. Dazu eine Auswahl der besten Rechtsexperten der Welt. Insgesamt 120 Personen gehörten zu der prominenten Reisegruppe, die sich alsbald im Haus einrichteten. Damit es, kurz vor dem ersten Advent, ein bisschen nett wird, hatte die Hoteldirektion einen Weihnachtsbaum in die Vorhalle gestellt, der von einer Modelleisenbahn umkreist wurde.
Das Thema der Tagung war weniger gemütlich: Es sollte um Gefangenenlager und präventive Todesschüsse, um die Grenzen der Folter und um »Alternativen zu Guantanamo« (Schäuble) gehen. Das alte Problem: Was ist Frieden, was ist Krieg? Die versammelten Kämpfer gegen den Terrorismus brauchten eine Denkpause: »Unser klassisches Rechtssystem und das internationale Kriegsrecht«, so formulierte es der Amerikaner Chertoff bei dem Treffen, »beide greifen nicht« gegen den Terrorismus: »Aber wir brauchen eine Antwort.« Und Kollege Schäuble ergänzte: »Wir ringen um Lösungen.«
Lösungen hatten die Experten in ihren Aktentaschen mitgebracht: Lauter Papiere über die Neuordnung der Welt im Kampf gegen das Böse: »Die Entwicklung eines einheitlichen Rechtsrahmens für ein internationales Polizeirecht auch zur präventiven Terrorismusbekämpfung«, so verlautete es offiziell aus Schäubles Ministerium, sei am Schwielowsee besprochen worden. Das klingt so harmlos. In Wahrheit ging es um ein neues Weltspezialrecht gegen Terroristen.
Einer der Experten, die auf der Tagung ihre Papiere präsentierten, war der Kölner Völkerrechtler Kreß. Seine Thesen, wie ein solches Recht aussehen könnte, haben mittlerweile den streng bewachten Bereich von Schwielowsee
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