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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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Rechtsdurchsetzer einer fremden Macht unter Verdacht verhaftet und ohne Prozess in ein Gefangenenlager gesteckt zu werden. Wie gut, dass wenigstens die Folter verboten sein würde.

»Sollen sich jeder Gewaltanwendung enthalten«
    Ein Toyota gibt Gas - Der Weltfrieden vor dem Amtsgericht -
Der Mensch als Subjekt - Völkerrecht für jedermann - Eine Zer-
reißprobe für den Staat - Bürger im Dunkel
     
    Am 28. August 2008 schoss an einer Kontrollstelle in der Nähe des afghanischen Kundus ein Feldjäger der Bundeswehr auf ein sich näherndes Fahrzeug. Eine Frau und zwei Kinder wurden
getötet. Der Schütze hatte den Wagen für ein Terroristenfahrzeug gehalten. Durfte er das?
    Mit der Frage beschäftigte sich Anfang 2009 die Staatsanwaltschaft Frankfurt / Oder. Denn dort war der Soldat zuvor stationiert, und nun, da Menschen umgekommen sind, prüfen die Frankfurter Juristen nach deutschem Strafrecht, was am Hindukusch geschah: Hat sich der Feldjäger eines dreifachen Totschlages gemäß Paragraf 212 Strafgesetzbuch schuldig gemacht - oder war es vielleicht nur eine fahrlässige Tötung gemäß Paragraf 222? Oder handelt es sich um das, was im Krieg »Kollateralschaden« heißt? Die zuständige Staatsanwältin ist nicht zu beneiden.
    Der Anlass für die tödlichen Schüsse war eine Warnung des Geheimdienstes, dass an jenem Tag Taliban auf dem Weg nach Kundus unterwegs seien. Zudem hatte es in der Vergangenheit Anschläge mit Fahrzeugen des Typs Toyota Corolla gegeben. Ein deutscher Hauptfeldwebel war zuvor durch eine Sprengfalle getötet worden. Zwei Toyota Corolla näherten sich an jenem Abend der Sperre, einer, so sah es aus, wendete plötzlich und gab Gas. Da fielen die Schüsse.
    Es geht nicht. Weder der Leser noch ein Richter in Frankfurt an der Oder kann ein vernünftiges Urteil fällen, wenn am Hindukusch die Sicherheit Deutschlands verteidigt wird. Zu weit ist der Krieg entfernt von der Weisheit des deutschen Strafrechts. Der Staat, der seine Gewalt weit über seine Grenzen hinaus ausdehnt, dessen Vollstrecker am anderen Ende der Welt tätig werden, kann nicht zugleich die Grenzen seiner heimischen Rechtsordnung garantieren: Dies ist der Fluch der »Entterritorialisierung«. Damit meinen Völkerrechtler wie Claus Kreß den besonderen Fluch des modernen Terrorismus, der nicht nur die Grenzen des Völkerrechts, sondern auch die räumlichen Grenzen staatlicher Souveränität einfach unterläuft. »Transnationale Gewalt« (Kreß), die nicht von Staaten, sondern von Menschen oder Menschengruppen ausgeht, verlangt nicht nur den international gefragten Ideen des Kölner Völkerrechtlers zufolge, sondern
nach Auffassung der meisten Experten nach einer »transnationalen«, also völkerrechtlichen Antwort: Was der Feldjäger an der Kontrollstelle in Kundus/Afghanistan für den »Weltfrieden« (Uno in ihrem Isaf -Mandat) getan hat, kann nicht in Frankfurt/ Oder beurteilt und entschieden werden. »Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus«, so vertritt der Kreß-Kollege Lars Mammen in einer jüngst vorgelegten Untersuchung 41 , sei »eine Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft und nicht nur eines einzelnen Staates«. Der »Krieg gegen den Terror« könne als niemandes »nationale Angelegenheit« betrachtet werden.
    So gibt es offenbar gar keinen anderen Weg, als den Einsatz militärischer Gewalt gegen Menschen oder Menschengruppen neu zu fundieren - statt wie bisher durch das (Polizei- und Straf-) Recht der Staaten durch überstaatliches Völkerrecht. Ein solcher Versuch, Kriegsvölkerrecht in gebremster Form in Polizeivölkerrecht umzudenken, liegt mit den Ideen von Kreß vor. 42 Den umgekehrten Weg geht der Völkerrechtler Mammen: Er denkt nicht das Völkerrecht, sondern die Menschen um. Sein Vorschlag besteht darin, Terrorbanden oder sogar einzelne Terroristen als Völkerrechtssubjekte anzuerkennen. 43 Damit werden sie Träger von völkerrechtlichen, also überstaatlichen Rechten und Pflichten. Sie geraten rechtlich gesehen auf Augenhöhe mit den Staaten, die sie angreifen, können also einen veritablen Krieg führen, verlieren dafür aber ihren Menschenrechtsschutz. Die neuen Teilnehmer am Völkerrechtsverkehr sind allerdings, so Mammen, nur »teilrechtsfähig«. Sie haben, so der Autor, »vor allem Rechtspflichten, kaum Berechtigungen«, und darin unterscheiden sie sich von den bisherigen voll rechtsfähigen Völkerrechtssubjekten, den Staaten. Terroristen wären demnach als Teilnehmer winziger

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