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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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- der »Ernstfall des Rechts« sei das »Ausnahmerecht«, ein »Feindrecht«, das an die Stelle der Verfassung trete. Aufgrund dieses Rechts könne der Staat von seinen Bürgern auch »Bürgeropfer« fordern, notfalls das Leben.
    Wenn der Staat Menschenopfer verlangen kann, warum sollte man ihn dann noch daran hindern, ein bisschen zu foltern? Seit dem »Schlüsselereignis« des 11. September, sagt der Frankfurter Rechtshistoriker und Schmitt-Experte Michael Stolleis, »zerfallen die Hemmungen rechtsstaatlicher Zivilisation offenbar rasch«. Der Schmitt-Verehrer und Staatsrechtler Isensee meint, der Staat habe ein »ungeschriebenes Notrecht, das ihm die Mittel gibt, sich gegen Angriffe zu behaupten« - denn »der Terrorismus fügt sich nicht in die Kategorien des staatlichen und internationalen Rechts und droht ihr Normensystem zu sprengen«. Der Staat, in der Stunde der Not, »lässt in seinem Innern keinerlei staatsfeindliche, staatshemmende oder staatsspaltende Kräfte aufkommen. Er denkt nicht daran, die neuen Machtmittel seinen eigenen Feinden zu überliefern und seine Macht unter irgendwelchen
Stichworten, Liberalismus, Rechtsstaat oder wie man es nennen will, untergraben zu lassen. Ein solcher Staat kann Freund und Feind unterscheiden.«
    Das stammt jetzt nicht von Isensee, sondern von Schmitt. Doch Stolleis, als Direktor des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte engstens vertraut mit dem Unheil, das solches Gerede in der Geschichte angerichtet hat, fürchtet für heute: »Die Angst phantasiert den Ausnahmezustand herbei.« Es ist nicht Angst, die uns eine Schmitt-Renaissance beschert, es ist Berechnung. Carl Schmitts Jünger haben auf ihre Chance nur gewartet: die alten Ideen durchzusetzen, die liberale und soziale Demokratie, die ihr Meister stets bekämpft hatte, endlich zu beseitigen. Schon der Alte hatte die 68er-Unruhen zwar als Werk des Pöbels an den Universitäten beschimpft, insgeheim in Briefen an seinen alten Freund Ernst Jünger aber Zuversicht geäußert: Die radikale Linke sei drauf und dran, »einen Umschwung« zu produzieren. Das könne bei den Regierenden in Bonn Interesse am Ausnahmezustand erwecken. Als bald darauf die RAF sich dranmachte, den liberalen Rechtsstaat anzugreifen, den sie ebenso hasste wie Schmitt, wusste die Regierung recht gut, was Ausnahmezustand bedeutet: Ernsthaft wurde in der Bonner Krisenrunde nach Hanns Martin Schleyers Entführung diskutiert, ob inhaftierte Terroristen als Geiseln behandelt und gegebenenfalls staatlicherseits erschossen werden sollten. Einer, der damals über so etwas laut nachdachte, war Franz Josef Strauß. Dem diente als Berater einst Armin Mohler, Ernst Jüngers Privatsekretär und berüchtigt als bedingungsloser Gefolgsmann Carl Schmitts.
    Die dunklen Wege des Ungeists durch die deutsche Nachkriegsgeschichte werden erstmals präzise nachgezeichnet in der Studie Ein gefährlicher Geist des Princeton-Politologen Jan-Werner Müller. Müller zeigt detailliert, wie die Schmitt-Schule nach Inkrafttreten des Grundgesetzes nur darauf lauerte, dass sich der neue demokratische Staat endlich als unfähig erweise, die Bürger zu schützen, während der Alte, von den Alliierten mit Lehrverbot belegt, nur freundlich grinste: »Bei der Lektüre des
Grundgesetzes überfällt mich die Heiterkeit eines allwissenden Greises.«
    Was haben die Schmittianer gegen das Grundgesetz, warum warten sie seit Jahrzehnten, wie Stolleis analysiert, »sehnsüchtig auf den Ernstfall«, der die Unzulänglichkeit des Verfassungsrechts offenbare? Die triumphale Art, in der Schmitt-Schüler Isensee nach dem 11. September den besagten Satz seines Meisters zitiert, macht deutlich, worum es geht. »Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet« - nicht nur der Terrorismus ist die Bedrohung, sondern auch der Gebrauch dieses Satzes. Er ergibt nämlich keinen Sinn, wenn er nur die Verfassungslage beschreiben soll: Der Souverän dieses Staates ist das Volk, und das Volk hat keinen Anlass, über Ausnahmen zu befinden, weil es ja zuständig für die Regel ist, für alle Regeln, für die Verfassung und die Gesetze, denn, so das Grundgesetz, »alle Staatsgewalt geht vom Volke aus«.
    Das Volk hat auch keine Möglichkeit, über den Ausnahmezustand zu befinden. Denn der einzige Weg des Befindens ist das demokratische Gesetzgebungsverfahren, und das ist die Herstellung von Regeln, nicht von Ausnahmen. Nur einmal in der Bundesrepublik hat es einen hilflosen Versuch

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