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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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gegeben, Regeln über die Ausnahme von der Regel zu machen, die Notstandsgesetze. Gebraucht hat sie bislang niemand.
    Schmittianer denken andersherum: Wer den Ausnahmezustand verhängt, ist Souverän. Da der Staat es ist, der im Zweifel unter Berufung auf den Ernstfall die Schranken der Verfassung durchbricht, ist der Staat der Souverän. Und er bezieht seine Legitimation, wie Schmitt es sagen würde, aus der Wirklichkeit, also beispielsweise der Wirklichkeit am 11. September 2001: »In der Ausnahme durchbricht die Kraft des wirklichen Lebens die Kruste einer in Wiederholung erstarrten Mechanik.« Dies ist aber keine Beschreibung, sondern ein Vorschlag, unvereinbar mit dem Grundgesetz und mit den meisten demokratischen Verfassungen der Welt - insbesondere mit der amerikanischen. »We the People«, beginnt die US-Verfassung, alles, was sich an Weltmacht aus dieser
Verfassung entwickelt hat, basiert auf dem Volk. Erst war das Volk da, dann die Verfassung, dann der Staat. In Deutschland war das nach dem Krieg nicht anders. Darum hieß es bei der Grundgesetzberatung vor rund sechzig Jahren auf Herrenchiemsee, der Staat sei für die Menschen da, nicht die Menschen für den Staat.
    Erst war der Staat da, dann die Verfassung, das Volk gestaltet nicht mit, es wird von seinen Führern »repräsentiert«. So lehren es die Juristen der Schmitt-Schule, so war es Tradition im Deutschland bis zur Weimarer Republik. Der Staat, mal heilig, mal mystisch, war von alters her der Souverän, der dem Volk eine Verfassung bescherte, aber im Ernstfall von der Verfassung abweichen durfte. Der Staat machte Politik, und Politik konnte nur machen, so lehrte Carl Schmitt, wer entschied, wer Freund ist und wer Feind. Diese Urentscheidung aber konnte, durfte und musste der Staat treffen. Sie war nicht an Regeln gebunden, sondern entstand - aus dem Nichts.
    Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet: Der autoritäre Staat nimmt sich, was er braucht, um dies dann als Beweis seiner Souveränität zu feiern. Dieser Logik folgen die Traktate des amerikanischen Polittheoretikers Robert Kagan ( Macht und Ohnmacht ), der, wie viele, den »Krieg gegen den Terror« als Beweis dafür ins Feld führt, dass die liberalen Spinner im alten Europa endlich widerlegt worden seien.
    Das kurze Aufatmen der Gegner Schmitts nach dem Ende des Kalten Krieges, die Hoffnung, der Feind sei nun gestorben, war nur von kurzer Dauer. Kaum waren die neuen Ideen über die universelle Geltung von Menschenrechten, über eine globale Moral des Friedens ausgebreitet, da stattete der amerikanische Denker Samuel Huntington die Schmitts dieser Welt mit neuen Feindbildern aus. Dieser neue Feind entsprang nun direkt dem »Kampf der Kulturen«. Nun geht es vorwärts. Gefragt ist staatliche Souveränität als, wie Schmitt es ausdrückte, »inappellative Letztentscheidungsinstanz«. Inappellativ heißt, dass kein Gericht, keine Verfassung, kein Parlament, kein Völkerrecht den US-Präsidenten stoppen kann. Wie einst in Guantanamo.

»Gefährlicher als der Terrorismus«
    Wer darf auf den roten Knopf drücken? - Dem Innenminister
ist das Grundgesetz zu eng - Soldaten als Freunde und Helfer -
Kennt Not Gebot? - Die verfassungsrechtliche Quadratur des
Kreises
     
    In einem Staat, der wie der Staat des Grundgesetzes 1949 als Rechtskonstrukt und nicht zufällig analog dem US-amerikanischen gegründet wurde, ist alles, was ist, nur kraft der Verfassung. 5 Wie eine Aktiengesellschaft hat der Staat Deutschland »Organe«, die für ihn handeln und ihre Handlungsfähigkeit aus der Verfassung beziehen. Der Staat ist deshalb ein Verfassungsstaat, weil er zur »Stunde null« aus dem Nichts entstanden ist: »Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen … hat sich das deutsche Volk dieses Grundgesetz gegeben«: Das war die Basis der Bundesrepublik. Daraus folgt aber - nicht anders als etwa im Fall einer Aktiengesellschaft -, dass die Staatsorgane nicht ultra vires , über ihre verfassungsrechtliche Kraft hinaus, handeln können. Ein Organ, das sich hier auf »überverfassungsrechtliche« Normen beruft, muss behaupten, dass es seine Kraft von einer Instanz bekommt, die nicht die Verfassung ist. Das aber widerspricht der ersten Annahme. Man entkommt dem auch nicht auf dem Schmitt’schen Umweg, indem man behauptet, dass die Ausnahme eben etwas Normfreies sei, keiner normativen Instanz verantwortlich. Das widerspricht der Annahme, dass ein Verfassungsorgan nur

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