Der globale Polizeistaat
teilrechtsfähiger aber nicht territorialer Staatsgebilde anzusehen - ihr Recht bestünde darin, als Kombattanten im Krieg gegen den Terror behandelt zu werden, allerdings nur so weit, wie sie selber (was sie nicht tun) die Regeln des Kriegsrechts einhalten, also etwa ihre Waffen offen tragen und sich im Kampf zu erkennen geben. Ihre Pflicht? Mammen
schlägt vor, das völkerrechtliche Gewaltverbot der Uno-Charta für Staaten zur Friedenspflicht für Terroristen auszudehnen, etwa so: »Sie sollen sich jeder Bedrohung oder Gewaltanwendung gegen jeden Staat enthalten sowie der Bedrohung und des Tötens von Individuen in jeder Art bewaffnetem Konflikt.«
Ganz offensichtlich glaubt auch Mammen nicht daran, dass so eine Pflichtenstellung irgendeinen Terroristen zur Umkehr bringen würde. Es geht dem Wissenschaftler offenbar mehr um die völkerrechtlich saubere »Konstruktion« seiner neuen Subjekte. Doch auch die Konstruktion macht schon deutlich, wo der Haken an dieser Idee ist: Wie soll es möglich sein, ein pflichtengetreues Völkerechtssubjekt der beschriebenen Art zu identifizieren? Solange Terroristen sich an ein etwaiges völkerrechtliches Gewaltverbot halten, sind sie keine Terroristen, sondern Bürger irgendeines Staates. Auf Augenhöhe mit ihrem Staat oder anderen Staaten kommen sie erst, wenn sie Bomben legen oder wenigstens damit drohen. Ein Völkerrechtssubjekt, das sich erst dadurch konstituiert, dass es die ihm obliegenden Pflichten verletzt, ist ein Widerspruch in sich. Der Vorschlag lässt sich allenfalls so präzisieren: Völkerrechtlich werde eine Pflicht für jedermann verankert, sich aggressiver Gewalt zu enthalten. Dann wird insoweit jeder Mensch zum Völkerrechtssubjekt. Das ist nicht abwegig, denn andererseits ist jedermann auch Träger der völkerrechtlich fundierten Menschenrechte.
Mammen steht mit seinem Vorschlag in der Welt des Völkerrechts jedenfalls nicht allein. Immer wieder ist die Frage diskutiert worden, ob und wie man die »Asymmetrie« (Herfried Münkler) des Kampfes von Staaten gegen nicht staatliche Menschengruppen rechtlich ausgleichen kann. Die Geschichte der Kriege lehrt, dass der Versuch ehrenwert ist und Erfolg verspricht. »Von der Antike bis zur Gegenwart« hat ein Team von Historikern die »Formen des Krieges« in der Geschichte untersucht 44 und dabei herausgefunden, dass es »asymmetrische Kriege« von Staaten gegen private Kriegsherren schon immer gab - und dass sich Warlords aller Couleur meist dadurch
zur Staatsräson bringen ließen, dass sie mit ihren Interessen klug und geduldig in die Staatspolitik einbezogen wurden: auf Augenhöhe. Es mag Staaten wehtun, Verbrecherbanden als Verhandlungspartner zu akzeptieren, es ist aber nichts anderes als deren Anerkennung als Völkerrechtssubjekte. Warum sollte der Gedanke nicht auch zur Befriedung von Terroristen brauchbar sein? »Niemals, niemals«, schreien da die Hüter der Weltgerechtigkeit, oft genug Vertreter von Staaten, die früher selbst brandschatzend Terror über die Welt gebracht haben, sei es in Kreuzzügen, sei es in kolonialen Eroberungsunternehmen. Doch auch in der jüngeren Zeit haben Terroristen sich die Anerkennung der Welt als Rechtspersonen des Völkerrechts oder doch zumindest als Verhandlungspartner erstritten: Was war denn mit den wilden Horden der Arafat-PLO? Was war mit den aufständischen Albanern des Kosovo? Und auch die libanesische Terrortruppe der Hisbollah hat es geschafft, sich an den Regierungsgeschäften zu beteiligen.
Pflichtenträger des Völkerrechts sind einzelne Menschen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges: In den Nürnberger Prozessen der Alliierten gegen Nazi-Kriegsverbrecher haben die Sieger erstmals durchgesetzt, dass Staatsmänner und Militärs sich für das Unrecht, das sie angerichtet haben, vor einem Völkerrechtstribunal persönlich strafrechtlich zu verantworten haben. »Die Ordnung der Welt nach den Grundsätzen des Rechts«, nannte das damals der Chefankläger des Hauptkriegsverbrecherprozesses, der US-Jurist Robert Jackson. Und da war etwas dran: Damals entstand ein Völkerstrafrecht, mit dessen Hilfe mittlerweile Kriegsverbrecher und Tyrannen auf dem Balkan wie in Afrika verfolgt werden. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist das erste unabhängige Weltstrafgericht: Kein einzelner Staat, auch nicht die Uno, sponsert diese Art von Gerechtigkeit - hier entsteht tatsächlich das selbst tragende Recht der Weltgemeinschaft.
Die Bezugnahme des Völkerrechts auf
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