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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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ähnlich wie am 11. September 2001 in Manhattan auf eine Großstadt in Deutschland zurast, nicht erlaubt, wenn dabei - wie stets - unbeteiligte Passagiere ums Leben kämen. Denn, das ist wichtig: Selbst im schlimmsten Terrorfall gilt in Deutschland nicht Kriegsrecht, sondern das Grundgesetz, das mit seiner Garantie der Menschenwürde die Opferung schuldloser Bürger ausschließt.
    Wenn der Feind ein Kriegsgegner wäre, könnte nach Ansicht des hohen Gerichts - vielleicht - etwas anderes gelten. Wann dies der Fall wäre, haben die Richter immerhin angedeutet: Wenn sich ein Angriff »auf die Beseitigung des Gemeinwesens« richtet. Für den deutschen Innenminister war das die Antwort: Die Situation, die am 11. September 2001 eingetreten sei, erklärte er intern 26 , sei immerhin vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als Fall der staatlichen »Selbstverteidigung« nach der UN-Charta eingeordnet worden - was damals die Nato in Brüssel
ermutigte, den Bündnisfall auszurufen und mit Amerika in den Krieg zu ziehen. Also sei, Schäubles Logik, so ein Anschlag eine Attacke auf die Grundlagen des Staates. Demnach könne die Bundeswehr gegen Terroristen in den Krieg ziehen und notfalls auch Flugzeuge abschießen.
    Sanft, aber bestimmt wies Hans-Jürgen Papier, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts und Mitautor des Urteils über die Sicherheit am Himmel, den Minister darauf hin, dass das ein Trugschluss sei 27 : Sein Gericht hatte den »Referenzfall« der deutschen Gesetzgebungsbemühungen, den Anschlag vom 11. September 2001, als Fall eingeordnet, der die kritische Grenze des Kriegsfalls gerade nicht erreicht habe. Wer das Urteil also genau liest, kommt zu dem Ergebnis, dass das Grundgesetz in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts einen Terrorakt noch als Verbrechen und nicht als kriegerischen Angriff betrachtet, selbst wenn er die Wucht des Anschlags von New York und Washington hat - eben jenes Non plus ultra des Terrorismus, das weithin als »Zeitenwende« angesehen wird. Verfassungsrechtlich, so lässt sich lernen, hat es keine Zeitenwende gegeben. Verbrecher sind Verbrecher und keine Kriegsgegner.
    Doch die Diskussion geht weiter. Hat nicht Herfried Münkler, Politikprofessor in Berlin und Guru der modernen Kriegsdeutung, verkündet, »Terrorismus ist zu einer der wichtigsten Formen der Kriegsführung geworden«? Ist der Staat im Krieg und merkt es gar nicht? »Wer den Feind unter den Begriff des bürgerlichen Verbrechers bringt, sollte sich nicht wundern, wenn die Begriffe Krieg und Strafverfahren durcheinandergeraten«, warnt der Bonner Strafrechtsprofessor Günther Jakobs, der sich mit seinen Ideen zu einem »Feindstrafrecht« einen Namen und viele Feinde gemacht hat. Jakobs besteht auf der sorgsamen Unterscheidung zwischen Verbrecher und Kriegsgegner, um für Terroristen ein besonderes, kriegerisches Recht anzuwenden: »Was man gegen Terroristen tun muss, wenn man nicht untergehen will, muss man anders nennen, nämlich Feindstrafrecht, gebändigten Krieg.«

    Man muss diese weitreichenden Konsequenzen nicht teilen, um sich genauer mit den Bemühungen von Jakobs auseinanderzusetzen, den Terrorismus in Hobbes’ System der Unterscheidung von innerer und äußerer Sicherheit zu verorten. Für Jakobs ist die Unterscheidung zwischen drinnen und draußen nicht räumlich, sondern bezogen auf ein Regelsystem zu finden: Der Verbrecher verletze zwar einzelne Normen, erkenne das Regelsystem seines Staates aber im Übrigen an, ja brauche seine Geltung, um als Mitbürger überleben zu können. Selbst der Mörder, so die Logik, legt ja Wert auf die Eigentumsordnung, die ihm sein Fluchtauto garantiert, und die Polizei, die ihn davor schützt, bestohlen zu werden. Für so einen, sagt der Wissenschaftler, sei das Strafrecht gemacht, das »Bürgerstrafrecht«. Der »Feind« hingegen sei jemand, der sich außerhalb der ganzen Rechtsordnung stelle und sie mitsamt ihren Institutionen, also den Staat als solchen, zerstören wolle. So sei der Terrorist einer, »der die Legitimität der Rechtsordnung prinzipiell leugnet und deshalb darauf aus ist, diese Ordnung zu zerstören«. Den müsse man nicht durch Strafe korrigieren, den müsse man als »gefährlich« aussortieren und unschädlich machen.
    Die Unterscheidung ist einleuchtend und knüpft an die Andeutung des Bundesverfassungsgerichts über die Bedrohung der Grundlagen des Staates an. Nur: Was nützt sie eigentlich? Der Staat, der sich zu überlegen hat, wie er reagieren

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