Der globale Polizeistaat
gelungen, die Souveränität von Staaten infrage zu stellen, wie dem Terrorismus, jenem Phänomen, das sich der Einordnung
in Krieg und Frieden, innen und außen, Strafrecht und Kriegsrecht entzieht.
Souverän ist ein Staat, der zwischen Kriegern und Verbrechern unterscheiden kann. Denn die Macht des Staates definiert sich durch seine Staatsgewalt nach innen und seine Kriegsmacht nach außen. Nach außen kann er keine Staatsgewalt ausüben - denn an der Grenze beginnt die Staatsgewalt eines anderen souveränen Staates. Er kann nur Krieg führen: gegen einen anderen Staat als Ganzen, als Angriff auf dessen Souveränität. Krieg, sagt Carl von Clausewitz, habe zum Ziel, einem anderen Staat seinen Willen aufzuzwingen, deshalb sei er die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Krieg findet darum, wie Außenpolitik, zwischen Souveränen statt. Die Krieger dieses feindlichen Staates sind dann nicht etwa Feinde, sondern - arme, bemitleidenswerte - Büttel des Feindes, des Staates nebenan. Nach innen kann der Staat keine Kriegsmacht ausüben, weil es im Innern kraft Definition keinen anderen, feindlichen Souverän geben kann. Das ist trotz vieler Ausnahmen und neuer Entwicklungen das Prinzip. Und dieses Prinzip des Westfälischen Friedens, die sogenannte »Westfälische Staatenordnung«, wird zumindest noch von denen hochgehalten, die, wie Altkanzler Helmut Schmidt 29 , vor »Interventionen«, selbst wohlmeinenden, humanitären, in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates, sogar eines Unrechtstaates, warnen. Die damit verbundene Debatte, in welchem Umfang der Schutz der Menschenrechte Vorrang vor staatlicher Souveränität haben soll, muss an anderer Stelle fortgesetzt werden. 30 Doch die heftige Bewegung, die diese Diskussion in das traditionelle Verständnis staatlicher Souveränität gebracht hat, wird in ihrer Bedeutung begrenzt durch die unangefochtene Rolle der Vereinten Nationen in der Welt. Die Charta der Vereinten Nationen ist die nach dem Zweiten Weltkrieg weltweit vereinbarte Magna Charta gleichberechtigter, souveräner Staaten. Solange diese Charta gilt, gilt die Westfälische Friedensordnung.
Der Terrorismus bringt das Völkerrecht und damit die Ordnung souveräner Staaten durcheinander. Wären die terroristischen
Vereinigungen und Netze Staaten, könnte man einen rechtlich geordneten Krieg gegen sie führen. Wären sie internationale Verbrecherbanden - wie etwa die Mafia -, müssten sie von den Staaten als »innere Angelegenheiten« betrachtet werden, die mit dem innerstaatlichen Polizei- und Strafrecht zu bekämpfen sind. Natürlich arbeiten viele Staaten zusammen, um mit der Mafia fertig zu werden, doch immer auf der Ebene gleichberechtigter Souveränität. Nicht einmal die Europäische Kommission wäre - zumindest bis zum Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages - berechtigt, im Bereich der inneren Sicherheit ihrer Mitgliedstaaten initiativ zu werden. Und niemand käme auf die Idee, seine Soldaten über den Brenner in Berlusconis Italien zu schicken, um auf diese Weise einen »Krieg gegen die Mafia« zu beginnen. Was den Terrorismus vom organisierten Verbrechen unterscheidet, ist sein offen zerstörerischer Anspruch. Mafiosi haben nichts gegen die Staatenordnung, solange sie an ihr verdienen können. Mafiosi gehen über Leichen, weil sie Geld wollen. Das lässt sich - mehr oder weniger - mit Bordmitteln jedes Staates beherrschen. Terroristen aber investieren viel Geld, um zu töten - sie geben sich als Kriegsherren, nicht als Verbrecher. Und sie drohen mit Waffen, denen ein Staat oft nur mit kriegerischen Mitteln entgegentreten kann. Der Abschuss eines Flugzeuges in Terroristenhand ist - so sieht es auch das Bundesverfassungsgericht im Luftsicherheitsurteil 31 - nun mal keine Sache, die mit polizeilichen Mitteln erledigt werden kann.
Eine Macht, die den Staat in Verlegenheit bringt wie ein Kriegsgegner, und die dennoch kein Völkerrechtssubjekt ist, ist also als Kriegsgegner nicht satisfaktionsfähig: Fürs Völkerrecht ist das zwar verwirrend. Aber neu ist es nicht. Wieder greifen aus Ratlosigkeit viele zur hilfreichen Hand des begriffsmächtigen Staatsrechtlers Carl Schmitt. 1963 veröffentlichte der die Theorie des Partisanen . Darin beschrieb der alte Mann, was er in Spanien, im Land Francisco Francos, gelernt hatte. Die faschistische Diktatur verwöhnte den in Deutschland verfemten Nazi-Juristen, sie schickte dem Mann sogar Carepakete
mit köstlichem Iberico-Schinken in die sauerländische
Weitere Kostenlose Bücher