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Der globale Polizeistaat

Der globale Polizeistaat

Titel: Der globale Polizeistaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Darnstädt
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Kriege, feindselige Auseinandersetzung zwischen Staaten und nichtstaatlichen Organisationen, sind nichts Neues. Wir werden im Kapitel über den Krieg 24 darauf zurückkommen. Die Möglichkeiten des Staates, sein Gewaltmonopol glaubwürdig geltend zu machen, minimierten sich mit der Brauchbarkeit des seit Jahrhunderten bestehenden Sicherheitsrechts. Das deutsche Polizeirecht stammt in seinen Grundzügen beispielsweise aus dem Jahr 1794. Damals fand sich im Preußischen Allgemeinen Landrecht erstmals die »Gefahr« als Voraussetzung polizeilichen Einschreitens. »Gefahrenabwehr« ist es bis heute, was der Innenminister gegen den Terror ins Feld führen möchte. Doch es zeigt sich, dass das nicht so einfach ist.
    Nicht erst der Terrorismus überfordert den Rechtsstaat - doch die Terroranschläge der letzten Jahre haben die Hilflosigkeit der staatlichen Ordnung erst richtig deutlich werden lassen. Fast hundert Jahre gingen seit dem erstaunlichen Flug des Orville Wright ins Land, bis nun - nach dem 11. September 2001 - die Frage auftauchte, die Politiker, Militärs, Völkerrechtler und Strafrechtsexperten beschäftigt: Wie soll der Staat der unheimlichen
Bedrohung begegnen? Als Staatsgewalt mit der Waffe seines Gewaltmonopols? Oder als Kriegsmacht mit den Waffen der Militärs? Ist der Feind als böser Untertan zu behandeln, also als Verbrecher? Oder als Kriegsgegner, also als gleichberechtigter Kontrahent, den es mit den Mitteln der rechtlich kaum gebändigten militärischen Gewalt zu vernichten gilt? Ist der Terrorist eine innere oder eine äußere Bedrohung? Da ist es wieder: Das War/Crime-Dilemma.
    Die mit der überkommenen Staatenordnung verbundene Unterscheidung von »Kriegsgegner« und »Verbrecher« ist eine Zivilisationsleistung, die unmittelbar mit der Erfindung des Staates zusammenhängt: Die Unterscheidung von »innen« und »außen«, die der deutsche Innenminister »verschwimmen« sieht, trennt die Geltung des Vertrages über anständige Behandlung, die der Leviathan mit seinen Menschlein getroffen hat, vom Gesetz des Krieges, das im Umgang mit denen da draußen gilt. Der Verbrecher ist im Modell des Thomas Hobbes ein Bürger, der einer Korrektur bedarf, der Kriegsgegner ist kein Bürger, er nimmt nicht teil am Sicherheitspakt und kann notfalls vernichtet werden. Nun war, so lange sich die Menschen im Staat gleichsam wie ein Kettenhemd ineinanderfügten und der Staat ein geschlossenes Stückchen Erde war, der Unterschied ganz leicht zu machen: Wer im Staat agierte, konnte schlimmstenfalls ein Verbrecher sein, derjenige aber, der von außen Ärger machte, brachte Krieg. Der Bürgerkrieg kam in diesem Modell nicht vor.
    Spätestens seit der Erfindung des Flugzeuges ist diese Unterscheidung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Sicherheit ist ortlos wie der Himmel, in dem Terroristen ebenso herumfliegen wie Touristen. Sicherheit ist heutzutage auch ortlos wie das Internet, das die Vorbereitungen und unter Umständen sogar die Ausführung einer terroristischen Schandtat in den Cyberspace verlegt. Die Frage, ob diese Feinde die innere Sicherheit oder äußere Sicherheit bedrohen, scheint hinfällig.
    Sie ist aber eben nicht hinfällig, weil von der Antwort viel abhängt - zumindest in Staaten, die wie Deutschland organisiert
sind -, der Einsatz von Militär und die Geltung des Kriegsrechts. Das deutsche Grundgesetz unterscheidet zwischen Verteidigung als Abwehr eines Gegners von außen und der Gefahrenabwehr beziehungsweise Strafverfolgung als Methoden der Abwehr von Verbrechen. Um die Sache nicht zu einfach zu machen, gibt es in Deutschland außerdem Verbrechen, die auch als solche verfolgt werden dürfen, obwohl sie im Ausland begangen oder vom Ausland aus gegen Deutschland begangen werden. Militärische Mittel dürfen, so steht es in Artikel 87a des Grundgesetzes, jedenfalls nur zur Verteidigung gegen einen äußeren Feind, zur Katastrophenhilfe der Polizei und zur Bekämpfung von Aufständischen eingesetzt werden. Terrorbekämpfung in Deutschland ist demzufolge Aufgabe der Polizei, also eine Angelegenheit der inneren Sicherheit. Und Versuche des Bundesinnenministers, per Grundgesetzänderung dem Militär zumindest in Fällen, die denen des 11. September 2001 vergleichbar wären, den Einsatz im Inland zu erlauben, sind bisher gescheitert. Selbst mit einer Grundgesetzänderung, so hat das Bundesverfassungsgericht 2006 im sogenannten Luftsicherheitsurteil 25 entschieden, wäre der Abschuss einer Terrormaschine, die

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