Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame
Ein Schreiber, ein Tisch und ein Schreibzeug befanden sich im Winkel. Meister Jacques Charmolue trat zu der Zigeunerin und sprach mit einem sehr sanften Lächeln: „Mein liebes Kind, beharrt Ihr noch immer beim Leugnen?“
„Ja“, antwortete sie mit fast schon erloschener Stimme.
„In dem Fall“, begann Charmolue aufs neue, „müssen wir Euch leider schärfer foltern, als wir es wünschen. Habt die Güte, Euch auf dieses Bett zu setzen. Meister Pierrat, macht der Dame Platz und schließt die Tür.“
Pierrat stand grinsend auf. „Schließe ich die Tür“, sagte er, „so erlischt mein Feuer.“ – „Gut, Lieber, so laßt sie offen.“
Esmeralda stand noch aufrecht. Sie schauderte vor dem ledernen Bett, auf dem so viele Unglückliche sich schon gekrümmt hatten. Der Schrecken erstarrte ihr Mark; ohne Besinnung stand sie da. Auf Charmolues Zeichen ergriffen sie die beiden Knechte und setzten sie aufs Bett. Sie taten ihr noch nichts zuleide; als aber beide Männer sie anfaßten, als das Leder sie berührte, empfand sie, wie all ihr Blut zum Herzen strömte. Sie ließ einen wilden Blick im Zimmer umherschweifen; ihr war, als kröchen alle häßlichen Werkzeuge der Tortur auf sie zu, sie zu beißen und zu kneipen; jene Werkzeuge glichen den Fledermäusen, den Tausendfüßen und Spinnen.
„Wo ist der Arzt?“ fragte Charmolue. – „Hier!“ erwiderte ein Schwarzrock, den sie noch nicht gesehen hatte. Sie zitterte.
„Mein Fräulein“, sprach die liebkosende Stimme, „ich frage Euch zum drittenmal, beharrt Ihr bei dem Leugnen?“
Sie konnte nicht mehr reden, gab nur ein Zeichen mit dem Kopfe. Ihr stockte die Stimme. – „Ihr beharrt also? Dann muß ich die Pflicht meines Amtes erfüllen.“
„Herr Prokurator des Königs“, sprach Pierrat mit rauher Stimme, „womit sollen wir beginnen?“
Charmolue schnitt die unentschiedene Fratze eines Dichters, der einen Reim sucht, und sagte dann: „Mit dem spanischen Stiefel.“ – Die Unglückliche fühlte sich von Gott und Menschen verlassen. Ihr Haupt sank wie etwas gänzlich Kraftloses auf ihren Busen.
Der Folterer und der Arzt traten zugleich heran. Die beiden Knechte durchsuchten ihr scheußliches Arsenal. Beim Klirren des furchtbaren Eisens zitterte das unglückliche Mädchen am ganzen Körper. – „Ach“, murmelte sie leise, „mein Phoebus!“ Dann versank sie wieder in die Unbeweglichkeit und das Schweigen des Marmors. Der Anblick hätte jedes andere Herz als das eines Richters zerrissen. Inzwischen hatten die schwieligen Hände der rohen Knechte das schöne Bein und den Fuß entblößt, den die Vorübergehenden einst so oft bewundert hatten. – „Wie schade!“ murmelte der Folterer, als er die so zarten und anmutigen Formen betrachtete. Wäre der Archidiakonus gegenwärtig gewesen, hätte er sich gewiß seines Symbols von Spinne und Fliege erinnert. Bald sah die Unglückliche durch die auf ihren Augen ruhende Wolke, wie der spanische Stiefel näher kam, wie ihr Fuß in die mit Eisen beschlagenen Dielen gezwängt ward und in ihnen verschwand. – Schrecken gab ihr die Kraft zurück. „Nehmt das weg! Gnade!“ rief sie heftig und richtete sich mit zerzausten Haaren auf.
Sie sprang vom Bett herunter, sich dem Prokurator zu Füßen zu werfen; allein ihr Fuß saß fest in dem schweren Eichenklotz und dem Eisen; sie sank über das Foltergerät hin, wie eine Biene mit Blei an den Flügeln. Auf ein Zeichen Charmolues legte man sie wieder aufs Bett, und zwei grobe Hände befestigten den vom Gewölbe herabhängenden Riemen an ihrem Gürtel.
„Zum letzten Male, gesteht Ihr die Tatsachen der Klage?“ fragte Charmolue mit seiner unerschütterlichen Güte. – „Ich bin unschuldig.“ – „Wie wollt Ihr denn die Umstände, die gegen Euch sprechen, erklären?“ – „Ach Herr, ich weiß nicht wie.“ – „Ihr leugnet?“ – „Alles.“ – „Fahrt fort, Meister Pierrat.“
Pierrat drehte den Griff einer Winde, der spanische Stiefel zog sich zusammen, und die Unglückliche stieß einen furchtbaren Schrei aus, den keine menschliche Sprache wiederzugeben vermag.
„Haltet ein“, sprach Charmolue zu Pierrat. „Gesteht Ihr?“ fragte er die Zigeunerin. –„Alles!“ rief das unglückliche Mädchen. „Alles! Gnade!“ Als sie der Folter sich unterzog, hatte sie ihre Kräfte nicht berechnet. Das arme Mädchen, dessen Leben bisher so heiter, anmutig und süß gewesen war, unterlag dem ersten Schmerz.
„Menschlichkeit zwingt mich, Euch zu
Weitere Kostenlose Bücher