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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Saint-Michel, dem Hause des Färbers Tassain-Caillart gegenüber, wohne, das aufwärts vom Wasser liegt und richtig meine Abgaben bezahle. Jetzt ein altes Weib, vor Jahren ein schönes Mädchen, gnädige Herren! Man sagte mir schon immer: Falourdel, spinnt nicht zu spät mit Euerm Rade; der Teufel spießt gern mit seinen Hörnern den Spinnröcken der alten Frauen. Das Gespenst, das im vergangenen Jahre am Temple umging, ist jetzt in der Altstadt. Falourdel, nehmt Euch in acht, daß es nicht an Eure Türe pocht! – Nun sitze ich eines Abends am Rade und spinne. Wer da? Ein Schwarzer mit einem Offizier. Man sah nur seine schwarzen Augen, zwei Kohlen. Alles andere war Hut und Mantel. – Da sagen sie mir: ‚Die Kammer nach Ste. Marthe.‘ Das, gnädige Herrn, ist meine schönste Kammer oben. Sie geben mir einen Taler. Ich lege ihn in meine Schublade und denke: Dafür kaufst du dir morgen Kaldaunen beim Schlächter. Wir steigen hinauf. Wie wir oben sind, verschwindet der schwarze Mann, während ich den Rücken drehe. Das setzt mich ein wenig in Erstaunen. Der Offizier, schön wie ein vornehmer Herr, geht mit mir wieder herunter, und dann aus dem Hause. Als ich ungefähr ein Viertel Zwirn gesponnen hatte, kommt er mit einem schönen Mädchen zurück; es war ein so schönes Püppchen, daß es wie die Sonne hätte glänzen müssen, wenn es Kopfputz getragen hätte. Sie hatte aber einen Ziegenbock bei sich, einen großen weißen oder schwarzen Ziegenbock. Das machte mich nachdenklich; denn ich kann die Tiere nicht leiden, weil sie Hörner und Bärte haben. Sie gleichen Menschen und riechen auch. Ich sagte aber nichts. Ich hatte den Taler; das ist recht, nicht wahr, Herr Richter? Ich leuchte dem Hauptmann und dem Mädchen hinauf und lasse sie dann allein, d. h. mit dem Ziegenbock. Ich gehe herunter und spinne weiter. – Nun muß ich Euch sagen, mein Haus besteht aus einem Erdgeschoß und einem Stock. Hinten ist es auf einen Fluß zu gebaut, wie die andern Häuser der Brücke, so daß unter dem Fenster des Erdgeschosses und des Stockwerks das Wasser fließt. – Ich spann also ruhig weiter, aber ich weiß nicht wie, der Ziegenbock erinnerte mich an das Gespenst, und dann war auch das schöne Mädchen ein wenig wild geputzt. Plötzlich höre ich oben einen Schrei, und wie etwas auf den Boden fällt, und wie das Fenster sich öffnet. Ich laufe an meines und sehe, wie ein schwarzer Klumpen vor meinen Augen ins Wasser fällt. Es war das Gespenst und wie ein Priester gekleidet. Der Mond schien und ich sah es deutlich. Es schwamm nach der Altstadt zu. Da rufe ich zitternd die Wache. Herren treten ein, und im ersten Augenblick, da sie nicht wußten, was es gab, und lustig waren, haben sie mich geprügelt. Ich erzählte ihnen, und wir stiegen hinauf. Meine arme Kammer war voll Blut. Der Hauptmann lag, mit einem Dolch im Nacken, auf dem Boden. Das Mädchen stellte sich tot, und der Ziegenbock war ganz wild. – ‚Oh‘, sagte ich, ‚vierzehn Tage lang muß ich gewiß den Boden waschen und scheuern. Wie fürchterlich!‘ Man trug den Offizier, den armen jungen Mann, und das Mädchen fort. – Wartet noch! Das Schlimmste kommt jetzt. Als ich am nächsten Morgen den Taler nehmen wollte, um mir Kaldaunen beim Schlächter zu kaufen, war er fort, und ich fand ein vertrocknetes Blatt an seiner Stelle.“
    Die Alte schwieg; ein Murmeln des Schauders lief im ganzen Auditorium herum. – „Das Gespenst, der Bock“, sagte Gringoires Nachbar, „riecht nach Hexerei.“ – „Und das vertrocknete Blatt!“ sagte ein anderer. – „Ohne Zweifel“, meinte ein dritter, „ist dies eine Hexe, die Umgang mit dem Gespenst hat, um Offiziere zu bestehlen.“
    „Frau Falourdel“, sprach der Herr Präsident mit Majestät, „habt Ihr dem Gerichtshofe nichts mehr zu sagen?“
    „Nein, gnädiger Herr“, sagte die Alte, „Ihr habt aber im Bericht mein Haus ein schmutziges und stinkendes Loch genannt, und das ist eine Beleidigung. Zwar haben die Häuser auf der Brücke kein stattliches Ansehen, weil viel Volk dort wohnt; aber die Schlächter wohnen noch immer da, und das sind reiche Leute mit reinlichen Frauen.“
    Die Gerichtsperson, die auf Gringoire den Eindruck eines Krokodils gemacht hatte, stand auf. „Still!“ sagte sie. „Ich bitte die Herren Richter, nicht zu übersehen, daß man bei der Angeklagten einen Dolch fand. Weib Falourdel, hast du das Blatt mitgebracht, in das sich der Taler, den dir der Teufel gab, verwandelte?“
    „Ja,

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