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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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mehrere andere Kunststücke der Ziege zum besten, und durch eine optische, den Gerichtsverhandlungen eigentümliche Täuschung erschraken dieselben Zuschauer, die den unschuldigen Künsten Djalis so oft Beifall geklatscht hatten, eben darüber unter den Gewölben des Palais de Justice. Ganz offenbar war die Ziege vom Teufel besessen.
    Dies wurde noch schlimmer, als der Prokurator des Königs einen ledernen Sack voll Buchstaben auf den Boden ausleerte; die Ziege streckte die Pfoten aus und schrieb aus den zerstreuten Buchstaben den unheilvollen Namen des Hauptmanns Phoebus. Die Hexerei, welcher der Hauptmann zum Opfer fiel, schien jetzt durchaus erwiesen, und die entzückende Tänzerin, die durch ihre Anmut alle geblendet hatte, war nur noch eine furchtbare Hexe.
    Übrigens gab sie kein Lebenszeichen von sich. Weder Djalis anmutige Künste, noch die Drohungen der Richter, noch die dumpfen Verwünschungen der Zuschauer gelangten bis zu ihrem Vorstellungsvermögen.
    Um sie aufzuwecken, mußte ein Sergeant sie rauh schütteln und der Präsident feierlich die Stimme erheben. – „Mädchen, Ihr seid vom bösen Zigeunergeschlecht. Zugleich mit jener in den Prozeß verwickelten Ziege habt Ihr in der Nacht des 29. März, im Einverständnis mit dem Fürsten der Finsternis, durch Zauber einen Hauptmann der Schützen von der Ordonnanz des Königs, Herrn Phoebus von Chateaupers, mit dem Dolch ermordet. Beharrt Ihr beim Leugnen?“
    „Wie schauderhaft!“ rief das Mädchen und barg ihr Antlitz mit den Händen. „Oh mein Phoebus! Das ist die Hölle!“
    „Beharrt Ihr beim Leugnen?“ wiederholte kalt der Präsident.
    „Ja“, sprach sie mit furchtbarer Stimme. Sie stand auf und ihr Auge funkelte. Der Präsident fuhr in hartem Tone fort: „Wie erklärt Ihr die Euch zur Last gelegten Verbrechen?“
    Sie antwortete mit stockender Stimme: „Ich weiß es nicht. Es ist ein Priester, ein Priester der Hölle, welcher mich verfolgt. Ich kenne ihn nicht.“
    „Das ist das Gespenst“, sprach der Richter.
    „Ach, gnädige Herren, ich bin nur ein armes Mädchen …“ – „Ein Zigeunermädchen“, fiel der Richter ein.
    Meister Jacques Charmolue nahm das Wort in sanften Tone: „Wegen der bedauerlichen Hartnäckigkeit des Mädchens trage ich auf die peinliche Frage an.“
    „Bewilligt“, sprach der Präsident.
    Die Unglückliche zitterte an allen Gliedern. Auf den Befehl der Partisanenträger stand sie auf und ging mit ziemlich festem Schritt. Voran gingen Charmolue und die Priester des geistlichen Gerichts. Sie durchwandelte zwei Reihen Hellebarden und verschwand in einer kleinen Tür, die sich vor ihr öffnete und plötzlich schloß, und die dem traurigen Gringoire wie ein furchtbarer Rachen erschien, der sie verschlang. Als sie verschwand, vernahm man ein klagendes Meckern: Es war das Klagen der Ziege. Die Gerichtssitzung ward unterbrochen. Ein Rat machte die Bemerkung, die Herren wären ermüdet und es sei schon zu spät, das Ende der Tortur abzuwarten. Der Präsident aber erwiderte, ein Richter müsse seiner Pflicht sich opfern.
    „Die verfluchte Hexe“, sagte ein alter Richter, „läßt sich auf die Folter spannen, obwohl wir noch nicht zu Abend gegessen haben.“
    Nachdem Esmeralda, von ihren düsteren Wachen umgeben, in einem so dunklen Gange, daß man ihn bei Tage mit Lampen erleuchten mußte, einige Stufen hinauf und hinab gestiegen war, ward sie von den Sergeanten des Justizpalastes in ein furchtbares Zimmer gestoßen. Dieses Zimmer, von runder Form, befand sich in einem Erdgeschoß eines der Türme, die noch jetzt durch die Schicht hervorragen, womit das neue Palais die Gebäude des alten bedeckt. In der Höhle waren keine Fenster; die einzige Öffnung war die niedrige, stark mit Eisen beschlagene Tür. Doch fehlte es hier nicht an Beleuchtung. In einer dicken Mauer befand sich ein Ofen; darin brannte ein starkes Feuer und erleuchtete im Zimmer eine große Anzahl blutiger Werkzeuge, deren Zweck sie nicht begriff. In der Mitte des Zimmers lag ein ledernes Bett, worüber ein Riemen mit Schnallen an einem kupfernen Ring hing, auf dem Bette saß behaglich der geschworene Folterer Pierrat Torterue. Seine Knechte, zwei Gnomen mit viereckigen Gesichtern, in lederner Schürze, hielten die Eisen über das Kohlenfeuer. So sehr auch das arme Mädchen Mut zu fassen suchte, es schauderte, als es eintrat. Die Sergeanten des Bailli du Palais stellten sich auf die eine Seite, die Priester des geistlichen Gerichts auf die andere.

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