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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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mit einer Leichenstimme: „I nunc, anima anceps, et sit tibi deus misericors!“
    Dies war die furchtbare Formel, womit man damals diese düstern Zeremonien schloß, das Zeichen, das der Priester dem Scharfrichter gab. Das Volk sank auf die Knie.
    „Kyrie Eleyson!“ riefen die Priester unter dem Spitzbogen des Portals. „Kyrie Eleyson!“ wiederholte das Volk mit einem Rauschen über alle Köpfe, gleich dem Brausen eines bewegten Meeres. „Amen!“ sprach der Archidiakonus. Er wandte der Verurteilten den Rücken; sein Haupt sank auf seine Brust; er kreuzte die Hände, und dann sah man ihn mit dem Kreuz, den Kerzen und Priestern unter den dunklen Bogen der Kathedrale verschwinden, seine männliche Stimme erlosch allmählich im Chor mit dem Gesange der Verzweiflung: „Omnes gurgites tui et fluctus tui super me transierunt.“
    Die Tore von Notre-Dame standen noch offen und zeigten die Kirche leer, einsam, trauernd, ohne Kerzen und Gesang.
    Die Verurteilte stand unbeweglich auf ihrem Platz und wartete, daß man sie ergreife. Zwei gelbgekleidete Männer, Knechte des Henkers, gingen auf sie zu, ihr die Hände zu binden. Vielleicht empfand die Unglückliche, als sie den unheilvollen Karren wieder bestieg, bitteren Schmerz über den Verlust des Lebens. Sie erhob ihre roten, trockenen Augen zum Himmel, zur Sonne und zu den silbernen Wolken, dann blickte sie über die Menge auf die Häuser … Plötzlich, während der Mann im gelben Kleide ihr die Arme band, stieß sie ein furchtbares Freudengeschrei aus. Dort auf dem Balkon erblickte sie ihren Geliebten, ihren Herrn, ihren Phoebus! Der Richter, der Priester hatte gelogen! Er war es selbst, sie konnte nicht länger zweifeln; dort stand er, schön, lebendig, im prächtigen Kleide mit der Feder auf dem Hut und dem Degen an der Seite.
    „Phoebus!“ rief sie, „mein Phoebus!“
    Sie wollte ihm die von Liebe und Entzücken zitternden Arme entgegenstrecken, sie waren ihr aber auf den Rücken gebunden. Da sah sie, wie der Hauptmann die Stirn runzelte, wie ein junges an ihm lehnendes Mädchen mit verächtlichen Lippen und gereizten Augen ihn anblickte; dann sprach Phoebus einige Worte, die nicht zu ihr gelangten, und beide verschwanden schnell hinter der Glastür des Balkons, die geschlossen wurde.
    „Phoebus!“ rief sie außer sich, „du solltest es glauben!“ Ein furchtbarer Gedanke erschütterte sie; sie erinnerte sich, als Mörderin des Hauptmanns Phoebus verurteilt zu sein. Bis dahin hatte sie alles ertragen, doch dieser letzte Schlag war zu hart. Besinnungslos fiel sie aufs Pflaster. – „Tragt sie zum Karren“, sprach Charmolue, „und macht der Sache ein Ende!“
    Niemand hatte bis dahin auf der Galerie der Königsstatuen über den Spitzbögen des Portals einen sonderbaren Zuschauer bemerkt, der bis dahin unbeweglich, mit ausgestrecktem Halse, mit so entstelltem Gesicht zugeschaut hatte, daß man ohne sein halb rotes und violettes Kleid ihn für eines der steinernen Ungeheuer gehalten hatte, aus deren Rachen seit sechshundert Jahren die Rinnen der Kathedrale sich ausleeren. Diesem Zuschauer war nichts entgangen, was seit zwölf Uhr am Portal sich ereignet hatte. Schon in den ersten Augenblicken hatte er, ohne daß es jemand bemerkte, einen dicken Strick mit Knoten, dessen Zipfel bis auf die Treppe hinabhing, an ein Säulchen der Galerie gebunden. Dann schaute er ruhig zu und pfiff bisweilen, wenn eine Amsel vorüberflog. Plötzlich, als ein Henkersknecht sich anschickte, den Befehl des Meisters Charmolue auszuführen, sprang er blitzschnell über das Geländer, packte den Strick mit Füßen, Knien und Händen, dann glitt er an der Fassade herunter wie ein Regentropfen, der an einer Glasscheibe hinabrinnt, stürzte mit der Schnelligkeit einer vom Dach gefallenen Katze auf die beiden Henker los, schlug sie mit seinen Fäusten zu Boden, hob die Zigeunerin mit einer Hand, wie ein Kind seine Puppe, in die Höhe und sprang mit einem Satz in die Kirche zurück, indem er das Mädchen über seinem Haupte hielt und mit furchtbarer Stimme schrie: „Freistatt! Freistatt!“
    „Freistatt! Freistatt!“ rief auch das Volk. Zehntausende klatschten in die Hände, und Quasimodos einziges Auge funkelte vor Freude und Stolz. Dieser Lärm erweckte die Zigeunerin aus ihrer Betäubung. Sie schlug ihr Auge auf und schaute Quasimodo an, schloß es aber sogleich wieder, als scheue sie sich vor ihrem Retter. Charmolue, die Henker, die Wache standen erstaunt da. In den Mauern von

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