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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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den Korb voll Nahrungsmittel und einen Wasserkrug hereinbrachte; allein er bemerkte die kleinste Bewegung der Art und entfernte sich dann voll Schmerz. Einmal trat er in dem Augenblick ein, wo sie Djali liebkoste. Sinnend stand er vor der anmutigen Gruppe der Zigeunerin und der Ziege und sprach dann, sein schwerfälliges, häßliches Haupt schüttelnd: „Es ist mein Unglück, daß ich noch zu sehr den Menschen gleiche. Ich möchte gänzlich ein Tier sein wie die Ziege.“
    Sie schlug einen Blick des Erstaunens auf. Er antwortete auf den Blick: „Ja, ich weiß wohl warum“, und ging. Ein andermal erschien er an der Tür der Zelle (er trat niemals herein), als Esmeralda eine alte spanische Romanze sang, deren Worte sie nicht verstand, die aber in ihrem Ohr stets widertönten, weil die Zigeuner sie als Kind damit in den Schlaf sangen. Beim Anblick der häßlichen Gestalt, die mitten im Liede plötzlich hereintrat, unterbrach das Mädchen ihren Gesang mit einer unwillkürlichen Bewegung des Schauders. Der unglückliche Glöckner sank an der Schwelle der Tür auf die Knie und faltete mit flehendem Ausdruck im Antlitz seine dicken mißgestalteten Hände. „Oh“, sprach er traurig, „ich flehe Euch an, singt weiter, jagt mich nicht fort!“ Sie wollte ihn nicht kränken, und zitternd begann sie den Gesang der Romanze aufs neue. Allmählich verlor sich aber ihr Schauder, und sie gab sich endlich der schwermütigen Melodie hin. Er lag auf den Knien, faltete die Hände, als ob er bete, wagte kaum zu atmen und heftete den Blick auf die strahlenden Augen der Zigeunerin. Es schien, als ob er ihr Lied mit den Augen vernehme. Ein andermal trat er auf sie zu mit linkisch blöder Miene. „Hört mich an“, sprach er mit sichtbarer Überwindung, „ich habe Euch etwas zu sagen.“ Sie gab ihm ein Zeichen, sie wolle hören. Er seufzte, öffnete die Lippen, schien einen Augenblick bereit zum Reden, dann sah er sie an, schüttelte den Kopf, hielt seine Stirn in den Händen und entfernte sich langsam. Erstaunt blickte ihm die Zigeunerin nach.
    Eines Tages war Esmeralda bis an den Rand des Daches getreten und schaute auf den Platz. Quasimodo stand hinter ihr. Dort stellte er sich aus eigenem Antrieb hin, um dem Mädchen so viel wie möglich das Unangenehme seines Anblicks zu entziehen. Plötzlich zitterte die Zigeunerin, Tränen und der Glanz der Freude schimmerten zugleich in ihren Augen, sie sank am Rande des Daches auf die Knie und streckte voll Sehnsucht ihre Arme zum Platze aus mit dem Rufe: „Phoebus, komm! Ein Wort! Ein einziges Wort! Im Namen des Himmels! Phoebus! Phoebus!“ Stimme, Antlitz, Bewegung, Gestalt zeigten den herzzerreißenden Ausdruck eines Schiffbrüchigen, welcher das Notsignal einem Schiffe gibt, das munter im Sonnenschein am fernen Horizont vorüberfährt. Quasimodo blickte auf den Platz und bemerkte, daß der Gegenstand dieses zärtlichen, beinah wahnsinnigen Gebetes ein junger Mann, ein Hauptmann, ein schöner, von Waffen und Schmuck strahlender Ritter war, der sein Roß im Hintergrunde des Platzes tummelte und eine Dame, die vom Balkon ihm zulächelte, mit dem Federbusch grüßte. Der Offizier hörte aber nicht die Stimme der Unglücklichen, die ihm zurief; er war zu weit entfernt.
    Der arme Taube merkte den Sinn von Esmeraldas Worten. Ein tiefer Seufzer hob seine Brust, er kehrte um; sein Herz schwoll von Tränen, die er zurückdrängte; mit krampfhaft geballten Fäusten schlug er an sein Haupt, und als er die Hände wieder zurückzog, hielt er in jeder einen Büschel seiner roten Haare. Die Zigeunerin achtete nicht auf ihn. Da knirschte er mit den Zähnen und sprach leise: „Verdammung! So muß man sein! Nur schön von außen!“
    Sie aber lag auf den Knien und rief mit heftiger Leidenschaft: „Er steigt vom Pferde! Er will ins Haus treten! Phoebus! Er hört mich nicht! Oh, das böse Mädchen da spricht mit ihm, so daß er mich nicht hören kann! Phoebus! Phoebus!“
    Der Taube sah sie an. Er verstand ihre Gebärde. Das Auge des armen Glöckners füllte sich mit Tränen; doch ließ er keine hinabfließen. Plötzlich zupfte er leise an ihrem Ärmel. Sie wandte sich um; sein Antlitz war ruhig. Er sprach: „Soll ich ihn Euch herholen?“
    Sie stieß einen Freudenruf aus. – „Schnell, schnell! Führt ihn her, den Hauptmann! Ich will Euch lieben!“ Sie umarmte seine Knie. Er konnte es nicht unterlassen, den Kopf voll Schmerz zu schütteln. – „Ich will ihn Euch holen“, sprach er mit schwacher

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