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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Ihr vergaßt den Unglücklichen, er erinnerte sich Euer.“
    Sie hörte ihn mit tiefer Rührung. Eine Träne glänzte im Auge des Glöckners; es schien aber, als sei es ihm Ehrensache, die Träne zurückzudrängen.
    „Hört“, begann er wieder, als er nicht länger besorgte, die Träne möchte ihm aus dem Auge rollen, „die Türme da sind hoch, wer hinabstürzt, ist tot, bevor er das Pflaster berührt; wollt Ihr, daß ich hinabstürze, so genügt ein Blick, Ihr braucht nicht einmal ein Wort zu reden.“
    Dann stand er auf. So unglücklich die Zigeunerin auch war, erweckte dies sonderbare Wesen dennoch ihr Mitleid. Sie gab ihm ein Zeichen zu bleiben. „Nein, nein“, sprach er, „ich darf nicht zu lange bleiben; hier fühle ich mich nicht behaglich. Nur aus Mitleid wendet Ihr nicht die Augen von mir ab. Ich werde irgendwohin gehen, wo ich Euch sehe, ohne daß Ihr mich erblickt. Das ist am besten.“
    Er zog aus seiner Tasche eine kleine Metallpfeife. „Nehmt sie“, sprach er; „bedürft Ihr meiner und wollt, daß ich komme, fühlt Ihr nicht zu großen Schauder, mich zu erblicken, so pfeift; den Laut kann ich hören.“
    Er legte die Pfeife auf den Boden und entfloh.

39. Steingut und Kristall
    Tage vergingen. Ruhe kehrte in Esmeraldas Seele zurück. Übermaß des Schmerzes, wie Übermaß der Freude ist zu heftig, um lange zu dauern. Ein Menschenherz kann nicht lange in der heftigsten Stimmung bleiben. Die Zigeunerin hatte so viel gelitten, daß ihr nur das Staunen darüber verblieb. Mit dem Gefühl der Sicherheit war ihr Hoffnung wiedergekehrt. Sie war aus der Gesellschaft, aus dem Leben ausgestoßen, fühlte aber undeutlich, daß sie in beide wieder eintreten könne. Sie glich einer Toten, die den Schlüssel ihres Grabes bei sich führt. Allmählich entschwanden ihr die furchtbaren Bilder, die sie so lange gequält hatten. Alle scheußlichen Gespenster, Pierre Torterue, Jacques Charmolue, selbst der Priester, erloschen in ihrer Vorstellung. Auch lebte Phoebus, sie wußte es gewiß, denn sie hatte ihn gesehen. Phoebus’ Leben galt ihr alles. Nach den vielen verhängnisvollen Erschütterungen, die alles in ihr niederrissen, fand sie in ihrer Seele nur ein Gefühl, die Liebe zu dem Hauptmann. Die Liebe gleicht einem Baum; sie sproßt von selbst hervor, treibt tiefe Wurzeln in unser Sein und grünt oft noch auf einem gebrochenen Herzen.
    Es ist gewiß unerklärlich, daß je blinder diese Leidenschaft, desto hartnäckiger sie ist. Sie wurzelt nie fester, als wenn die Vernunft keinen Teil an ihr hat. Gewiß dachte Esmeralda nicht ohne Bitterkeit an den Hauptmann. Gewiß war es für sie ein schmerzlicher Gedanke, daß auch er getäuscht wurde, daß er etwas Unmögliches glaubte, daß er wähnen konnte, jener Dolchstoß stamme von ihr, die tausend Leben gern für ihn hingegeben hätte. Doch durfte man ihm nicht zu sehr darum zürnen. Hatte sie nicht ihr Verbrechen gestanden? War sie nicht, ein schwaches Weib, der Folter unterlegen? Jede Schuld lag an ihr. Sie hätte sich eher die Nägel als solch ein Wort entreißen lassen sollen. Sähe sie ihn nur noch einmal wieder! Ein Wort, ein Blick würde ihn belehren und zu ihr zurückführen. Daran zweifelte sie nicht. So betäubte sie sich auch über mehrere sonderbare Dinge, über den Zufall von Phoebus’ Gegenwart am Tage der Buße, und über das Mädchen, das neben ihm stand. Das war gewiß seine Schwester. Die Erklärung war wohl unvernünftig, aber sie begnügte sich damit, denn sie bedurfte des Glaubens, Phoebus liebe sie noch und nur sie allein. Hatte er es ihr nicht geschworen? Dies genügte dem leichtgläubigen, arglosen Kinde. Und dann war ja auch der Schein mehr gegen sie als gegen ihn. Sie wartete also und hoffte.
    Wenn der Gedanke an Phoebus ihr Zeit ließ, dachte sie bisweilen an Quasimodo. Er war das einzige Band, der einzige Weg, wodurch sie mit den Menschen und der Welt in Berührung blieb. Die Unglückliche, sie war mehr als Quasimodo von den Menschen getrennt und konnte den sonderbaren Freund, den der Zufall ihr gegeben hatte, nicht verstehen. Oft machte sie sich Vorwürfe, daß ihre Dankbarkeit stets die Augen schloß. An den armen Glöckner konnte sie sich aber durchaus nicht gewöhnen. Er war zu häßlich. Die Pfeife, die er ihr gegeben, hatte sie auf dem Boden liegen lassen. Dies aber hielt Quasimodo nicht ab, in den ersten Tagen von Zeit zu Zeit einzutreten. Sie tat alles mögliche, um nicht mit zu starkem Widerwillen sich abzuwenden, wenn er ihr

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