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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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einer Meuterei. Die brächte ich zum Schweigen, sowie ich nur die Stirn runzelte.“
    Coppenole erwiderte gleichgültig: „Vielleicht, Sire! Dann hat die Stunde des Volkes eben noch nicht geschlagen.“
    Guillaume Rym glaubte einschreiten zu müssen. – „Meister Coppenole, Ihr sprecht mit einem mächtigen König.“ – „Das weiß ich“, erwiderte ernst der Strumpfwirker.
    „Laßt ihn doch reden, Herr Rym; lieber Freund“, sagte der König, „ich liebe solchen Freimut. Mein Vater, Karl VII., meinte, die Wahrheit sei krank. Ich glaubte, sie sei tot und fände keinen Beichtiger. Den Irrtum benahm mir Meister Coppenole.“ Dann legte er zutraulich die Hand auf Coppenoles Schulter mit den Worten: „Also Ihr meintet, Meister Jacques …“ – „Ich meinte, Sire, die Stunde des Volkes habe bei Euch noch nicht geschlagen.“
    Ludwig XI. sah ihn mit durchdringendem Blicke an. – „Meister, wann wird sie schlagen?“ – „Man wird sie schon hören.“ –„Auf welcher Uhr, wenn’s beliebt?“
    Coppenole führte mit seiner ruhigen, bäuerlichen Haltung den König ans Fenster. „Hört, Sire! Hier ist ein Turm, eine Glocke, Kanonen, Soldaten, Bürger. Wenn die Glocke schallt, wenn die Kanonen brüllen, wenn der Turm lärmend einstürzt, wenn Bürger und Soldaten heulen und sich töten, dann hat die Stunde geschlagen.“
    Des Königs Antlitz ward düster und nachdenklich. Einen Augenblick schwieg er; dann klopfte er sanft mit der Hand an die Mauer des Turms, wie man den Hals eines Renners zu klopfen pflegt, und sagte: „Oh nein, gute Bastille, so leicht wirst du nicht sinken!“
    Dann drehte er sich plötzlich wieder zu dem kecken Flamländer mit den Worten: „Saht Ihr jemals einen Aufstand?“ – „Ich habe Aufstände erregt.“ – „Wie fingt Ihr das an?“ – „Oh, das ist nicht so schwer; es gibt hundert Arten. Erstens muß man in der Stadt unzufrieden sein. Das ereignet sich oft genug. Zweitens muß der Charakter der Einwohner dazu geeignet sein. Die Genter sind das besonders. Sie lieben stets den Sohn des Fürsten, den Fürsten nie. Nun setze ich voraus, man tritt eines Morgens in meine Bude und spricht: ‚Vater Coppenole, es gibt dies und das; die Prinzessin von Flandern will ihre Minister retten, der Großbailli verdoppelt die Mahlsteuer, oder es gibt sonst was anderes.‘ Man weiß, was man will. Ich lasse meine Arbeit liegen, gehe aus meiner Werkstatt auf die Straße und schreie: ‚Herbei!‘ Dort liegt wohl immer eine Tonne mit eingestoßenem Boden. Ich steige hinauf und sage, was mir gerade vom Herzen in den Mund kommt, und gehört man zum Volk, Sire, so hat man stets etwas auf dem Herzen. Es bilden sich Haufen, man schreit, läutet die Glocken, bewaffnet die Bürger mit den Waffen der Soldaten; die Bauern auf dem Markt schließen sich an, und man setzt sich in Marsch. So wird’s immer gehen, solange noch Herren in den Herrschaften, Bürger in den Städten und Bauern auf dem Lande wohnen.“
    „Und gegen wen rebelliertet Ihr so?“ fragte der König. „Gegen Eure Baillis, Eure Adligen!“
    „Wie es sich gerade trifft. Bisweilen auch gegen den Herzog.“
    Ludwig XI. setzte sich wieder und sprach lächelnd: „Ah! Hier sind sie noch bei den Baillis!“
    In dem Augenblick trat Olivier-le-Daim wieder ins Zimmer. Ihm folgten zwei Pagen des Königs; Ludwig XI. aber fiel es auf, daß Olivier auch vom Prévot von Paris und dem Ritter der Wache, die beide sehr niedergeschlagen zu sein schienen, begleitet war. Auch der noch immer grollende Barbier sah bestürzt, aber auch zugleich zufrieden aus. Er nahm das Wort: „Sire, ich bitte Eure Majestät um Verzeihung wegen der unheilvollen Nachricht, die ich bringe.“
    Der König wandte sich heftig um und zerkratzte mit den Füßen seines Sessels die Matte des Fußbodens. „Was heißt das?“
    „Sire“, antwortete Olivier-le-Daim mit der boshaften Miene eines Mannes, welcher sich freut, einen heftigen Schlag geben zu können, „der Volksaufstand gilt nicht dem Bailli des Palais.“ – „Wem sonst?“ – „Euch, Sire!“
    Der greise König richtete sich gerade wie ein Jüngling auf. „Wieso, Olivier? Beweise, was du sagst! Gevatter, achte auf deinen Kopf! Ich schwöre dir beim Kreuz von St. Lô, lügst du zu dieser Stunde, so ist das Schwert, das den Hals des Herrn von Luxemburg durchschnitt, noch nicht so schartig, daß es nicht auch deinen durchsägen könnte!“
    Der Eid war furchtbar. Ludwig XI. hatte nur zweimal in seinem Leben beim

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