Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame
nur zwei. Auch waren Wir so gütig, Euren Namen Böse, der zu gut für Euer Gesicht paßte, zu ändern. 74 gewährten Wir Euch zum Ärger unseres Adels, ein buntes Wappenschild, das Euch die Brust eines Pfaus verleiht. Seid Ihr noch nicht satt? Fürchtet Ihr nicht, ein Salmen mehr möchte Euer Schiff zum Sinken bringen? Gevatter, dein Übermut richtet dich noch zugrunde! Übermut wird stets von Schmach und Untergang begleitet. Bedenk dies und schweig!“ Diese mit Ernst gesprochenen Worte gaben dem mürrischen Gesicht Meister Oliviers wieder den Ausdruck der Unverschämtheit. „Gut!“ brummte er ganz laut; „man sieht der König ist heute krank. Er gibt alles dem Arzt.“
Ludwig XI., weit davon entfernt, sich über diese Grobheit zu ärgern, erwiderte ziemlich sanft: „Halt! Ich vergaß noch, daß ich Euch zum Gesandten in Gent bei Madame Marie machte. – Ja, ihr Herren“, (der König wandte sich zu den Flamländern), „dieser war mein Gesandter. – Nun, Gevatter“, (er wandte sich wieder zu Meister Olivier) „zank dich nicht mit mir. Wir sind alte Freunde. Es ist spät; Wir haben Unsere Arbeit beendet; jetzt komm, rasiere mich.“
Der Leser hat gewiß bereits in Meister Olivier den furchtbaren Figaro erkannt, den die Vorsehung, die Dichterin der größten Dramen, so künstlich mit dem langen, blutigen Schauspiel Ludwigs XI. verflocht. Der Barbier des Königs führte drei Namen. Bei Hofe nannte man ihn höflich Olivier-le-Daim*. Das Volk nannte ihn Olivier der Teufel. Sein wahrer Name war Olivier der Böse.
* Dies war der Name, den ihm der König gegeben. Daher der Damhirsch im vorher beschriebenen Wappen. Sein wahrer Name war Lemauvais, der Böse.
Olivier stand unbeweglich, schmollte über den König und brummte zwischen den Zähnen: „Ja, ja, der Arzt.“ – „Ja, ja, der Arzt“, wiederholte Ludwig mit sonderbarer Gutmütigkeit. „Der Arzt hat noch mehr Kredit als du. Ganz natürlich; du packst mich nur beim Kinn, er beim Leibe. Komm, armer Barbier, es wird sich schon alles finden. Was sollte aus dir werden, wäre ich ein König wie König Chilperich, der gewohnt war, den Bart in der Hand zu halten. Komm, Gevatter, tu’, was deines Amtes, rasiere mich! Hole das Gerät!“
Als Olivier sah, daß der König lachte, und daß er nicht einmal Gelegenheit finden konnte, sich zu ärgern, ging er verdrießlich fort, den Befehl auszuführen. Der König stand auf, trat ans Fenster und öffnete es plötzlich in heftiger Aufregung. Dann klatschte er in die Hände und rief: „Oh welch ein Feuerschein über der Stadt. Das Haus des Bailli brennt. Oh, gewiß, es ist nichts anderes! Oh, mein treffliches Volk, wie hilfst du mir endlich, die Herrschaften alle zusammenzuschmeißen!“
Dann wandte er sich zu den Flamländern: „Ihr Herren, seht den roten Feuerschein!“
Die beiden Genter traten heran. – „Ein großes Feuer“, sprach Guillaume Rym. – „Ho“, fügte Coppenole hinzu, und seine Augen leuchteten plötzlich, „das erinnert mich an den Brand des Hauses des Herrn von Hymbercourt. Dort muß ein großer Aufruhr sein.“
„Ihr meint so, Meister Coppenole?“ (Der Blick des Königs zeigte in dem Augenblick ebensoviel Freude wie der des Strumpfwirkers.) „Nicht wahr, es ist schwer, Widerstand zu leisten?“ – „Gottes Kreuz; Eure Majestät wird da manche Kompanie von Kriegsleuten zersplittern.“ – „Was, ich? Das wäre was anderes“, erwiderte der König; „wollte ich …“
Der Strumpfmacher unterbrach ihn keck: „Ist der Aufstand so stark, wie ich glaube, Sire, dann hilft Euer Wille Euch nichts.“ – „Gevatter“, sprach Ludwig XI., „mit zwei Ordonnanz-Kompanien und einer Ladung von Serpentinen wird man mit einem Pöbel von Bürgern bald fertig.“
Der Strumpfmacher schien, ungeachtet der Zeichen Guillaume Ryms, entschlossen, dem König zu widersprechen: „Sire, auch die Schweizer waren Bürger. Der Herr Herzog von Burgund war ein mächtiger Edelmann und verspottete sie als Pöbel. Sire, in der Schlacht von Granson rief er aus: ‚Kanoniere, feuert auf die Bauern-Lumpen!‘ und schwur bei dem Ritter St. Georg; aber der Ammann Scharnachthal stürzte sich auf den edlen Herzog mit seinem Volk und seiner Keule, und das strahlende Heer der Burgunder ward durch die Bauern im Büffelwams auseinandergesprengt wie eine Glasscheibe durch Kiesel. Da wurden viele Ritter und viele Knechte erschlagen.“
„Freund“, entgegnete der König, „Ihr sprecht von einer Schlacht und ich von
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