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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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Reichtümer gepreßt werden, und daß Leute, die die besten Bücher schreiben, des Winters nicht immer warmes Feuer haben. Man hat vierzig sehr schöne Sprichwörter über den durchlöcherten Mantel der Philosophen. Oh Sire, Barmherzigkeit trägt die Fackel allen anderen Tugenden voran. Ohne sie sind Menschen Blinde, die Gott suchend im Dunkeln tappen. Gnade ist dasselbe wie Barmherzigkeit und erschafft die Liebe der Untertanen, die für den Leib des Fürsten die sicherste Wache bleibt. Was schadet’s Euch, Majestät, deren Antlitz blendet, ob ein armer Mensch mehr auf der Erde lebt? Ein armer, unschuldiger Philosoph, der mit leerer Hosentasche, worüber sein Bauch lärmt, im Dunkel des Elends watet. Übrigens, Sire, bin ich ein Gelehrter, und die großen Könige halten den Schutz der Wissenschaften für eine Perle ihrer Krone. Nun ist es doch eine unzweckmäßige Art, die Wissenschaften zu beschützen, wenn man die Gelehrten hängt. Welch ein Flecken für Alexander, hätte er Aristoteles aufhängen lassen! Sire, ich dichtete ein sehr schönes Hochzeitsgedicht für die Prinzessin von Flandern und den gnädigen Herrn Dauphin. Das ist doch kein Feuerbrand, Rebellion anzuschüren. Eure Majestät sieht, ich bin kein Abc-Schütz, habe studiert und besitze viel natürliche Beredsamkeit. Gnade, Sire! Ihr begeht durch Eure Barmherzigkeit eine galante Handlung gegen Unsere Frau, und ich schwöre Euch, mich erschreckt der Gedanke, am Galgen zu baumeln.“
    Als er die Rede geendet, küßte Gringoire verzweifelnd die Pantoffeln des Königs, und Guillaume Rym sagte leise zu Coppenole: „Er hat recht, sich auf dem Boden hinzuschleppen. Den Königen geht’s wie dem Jupiter von Kreta. Sie haben ihre Ohren nur an den Füßen.“ Der Strumpfwirker, ohne auf den Jupiter von Kreta acht zu geben, erwiderte mit schwerfälligem Lächeln, indem er Gringoire ansah: „Ja, ja, ich glaube den Kanzler Hugonet zu hören, wie er mich um Gnade anflehte.“
    Als Gringoire endlich außer Atem inne hielt, erhob er zitternd sein Haupt zum König, der mit dem Nagel einen Flecken seiner Beinkleider am Knie abkratzte, dann nahm die Majestät einen Schluck Medizin. Übrigens sprach sie kein Wort, und dies Schweigen quälte Gringoire. Endlich sah ihn der König an mit den Worten: „Du furchtbarer Schreier!“ Dann wandte er sich zu Tristan l’Hermite: „Bah! Laß ihn laufen!“
    Vor Freude erschrocken, fiel Gringoire auf den Rücken.
    „Soll ich ihn laufen lassen?“ fragte Tristan knurrend. „Will Eure Majestät nicht, daß man ihn ein wenig in den Käfig sperrt?“
    „Gevatter“, antwortete Ludwig XI., „glaubst du, daß Wir Käfige zu dreihundertsiebenundsechzig Livres acht Sous drei Heller für solche Vögel machen lassen? Laß den Strohkopf sogleich los (Ludwig XI. gebrauchte das Wort Strohkopf, das mit Gottes Ostern den Grundstock seines Humors bildete), und gib ihm einige Rippenstöße mit auf den Weg.“
    „Oh“, rief Gringoire, „welch ein großer König!“ und aus Furcht vor einem Gegenbefehl stürzte er sich schnell zur Tür, die Tristan ihm ziemlich verdrießlich öffnete. Die Soldaten ging zugleich mit ihm fort und stießen ihn mit Fauststößen vor sich her, was Gringoire als ein wahrer stoischer Philosoph ertrug. Die gute Laune des Königs drang in allem durch, seitdem der Aufruhr gegen den Bailli ihm angezeigt war. Diese ungewöhnliche Milde war ein sehr bedeutsames Zeichen. Tristan l'Hermite hatte das knurrige Gesicht einer Dogge, der man einen Knochen zeigt, aber nicht gibt. Der König trommelte vergnügt auf den Armlehnen seines Sessels den Marsch Pont-Audemer mit den Fingern. Dieser Fürst wußte sich gewiß zu verstellen, allein Schmerz und Ärger konnte er besser verstecken als Freude. Dergleichen Äußerungen der Freude bei guten Nachrichten gingen oft sogar zu weit; z. B. beim Tode Karls des Kühnen weihte er dem heiligen Martin von Tours ein silbernes Geländer, und bei seiner Thronbesteigung vergaß er, das Begräbnis seines Vaters zu befehlen.
    „He, Sire“, rief plötzlich Jacques Coictier, „was ist aus dem plötzlichen Krankheitsanfall geworden, weshalb Eure Majestät mich rufen ließ.“
    „Oh, Gevatter“, sprach der König, „ich bin sehr krank. Mir pfeift es in den Ohren und es kommt mir vor, als kratzten glühende Harken in der Brust.“
    Coictier ergriff des Königs Hand und befühlte ihm den Puls mit gelehrter Miene.
    „Seht, Coppenole“, sprach Rym leise, „da steht er zwischen Coictier und

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