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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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von dem man heute morgen eine Moralität aufgeführt hat.“
    „So bist du es, Meister?“ sagte Clopin. „Ich war auch dabei; nun, Kamerad, weil du uns heute morgen langweiltest, ist das ein Grund, dich heute abend nicht zu hängen?“
    Ich werde mich schwerlich aus der Schlinge ziehen, dachte Gringoire. Dennoch versuchte er noch eine Anstrengung. „Ich sehe nicht ein“, sagte er, „weshalb man die Dichter nicht zu den Landstreichern rechnet. Äsop war Vagabund, Homer ein Bettler, Merkur ein Dieb …“ – „Ich glaube“, unterbrach ihn Clopin, „du willst uns mit deinem Kauderwelsch zum besten haben. Zum Teufel! Laß dich hängen und mache keine Umstände.“
    „Gnade, gnädiger Herr König von Thunes“, erwiderte Gringoire, das Terrain Schritt für Schritt verteidigend. „Es ist der Mühe wert … Einen Augenblick … Hört mich … Ihr werdet mich nicht verurteilen, ohne mich zu hören …“
    Trouillefou gab ein Zeichen, und der Herzog, der Kaiser, die Würdenträger umringten ihn im Halbkreise, dessen Mittelpunkt Gringoire bildete, den die drei Gauner noch immer hart angepackt hielten. Es war ein Halbkreis von Lumpen, Flittergold, Gabeln, Bellen, mit Wein befeuchteten Beinen, dicken und nackten Armen, schmutzigen und abgestumpften Gestalten. Mitten in dieser Tafelrunde der Bettelschaft herrschte Clopin Trouillefou wie der Doge im Senat, wie ein König unter Pairs, wie ein Papst im Konklave, zuerst von der Höhe seiner Tonne, dann auch durch wilden, furchtbaren und stolzen Ausdruck des Antlitzes, in dem die Augen funkelten, wodurch der tierische Typus der Gesichtszüge des Landstreichergeschlechts gemildert ward.
    „Höre“, sprach er zu Gringoire, indem er mit schwieliger Hand sein mißgestaltetes Kinn liebkoste, „ich sehe nicht ein, warum du nicht hängen solltest. Allerdings sieht man dir den Widerwillen an; ihr Bürger seid nicht daran gewöhnt. Ihr denkt euch die Sache als etwas Furchtbares. Übrigens haben wir nichts Böses gegen dich im Sinn. Es gibt ein Mittel, dich mit heiler Haut aus dem Handel zu ziehen; willst du zu uns gehören?“
    Man denke sich die Wirkung dieses Vorschlags auf Gringoire, der schon sah, wie das Leben ihm entschlüpfte, und schon anfing, es aufzugeben. Er klammerte sich mit aller Kraft wieder an sein Leben.
    „Gewiß! Wahrhaftig“, sagte er. – „Du willst dich in dem Orden der kleinen Schwertlilie einschreiben lassen?“ – „Ja, ja, der kleinen Schwertlilie; eben dies.“ – „Du erkennst dich an als Mitglied der Freibürgerschaft?“ – „Der Freibürgerschaft.“ – „Als Untertan des Königreichs Kauderwelsch?“ – „Des Königreichs Kauderwelsch.“ – „Als Landstreicher?“ – „Als Landstreicher.“ – „Von ganzer Seele?“ – „Von ganzer Seele.“ – „Ich muß dich darauf aufmerksam machen, daß du dennoch wirst gehängt werden.“ –
    „Teufel!“ sprach der Dichter. – „Du wirst“, fuhr Clopin unerschütterlich fort, „nur in späterer Zeit, mit mehr Zeremonien gehängt werden, und zwar auf Kosten der guten Stadt Paris, von ehrlichen Leuten, und erhältst einen schönen, steinernen Galgen. Du siehst, das ist ein Trost.“
    „Wie Ihr sagt“, erwiderte Gringoire. – „Du hast auch noch andere Vorteile; brauchst als Freibürger für den Kot, die Armen und Laternen nichts zu zahlen, wofür die Pariser Bürger den Beutel ziehen müssen.“ – „So sei es“, begann der Dichter. „Ich willige ein und bin Landstreicher, Kauderwelscher, Freibürger, alles, was ihr wollt. Herr König, ich war das alles auch schon im voraus; denn ich bin Philosoph, et omnia in philosophia, omnes in philosopho continentur, wie Ihr wißt.“
    Der König runzelte die Brauen. „Wofür hältst du mich, Freund? Welch Kauderwelsch der ungarischen Juden singst du mir da? Ich kann kein Hebräisch. Man ist als Spitzbube noch kein Jude. Ich stehle nicht einmal mehr. Darüber bin ich hinaus, ich morde; bin Kehlabschneider, kein Beutelschneider.“
    Gringoire suchte eine Entschuldigung in diese kurzen Worte einzuschieben, die der Zorn immer mehr und mehr beschleunigte. – „Ich bitte Euch um Verzeihung, gnädiger Herr, es ist kein Hebräisch, es ist Latein.“
    „Ich sage dir“, erwiderte Clopin leidenschaftlich, „wenn du nicht schweigst, so lasse ich dich hängen, beim Bauch der Synagoge!“
    Endlich beruhigte sich der gnädige König. „Schelm“, sagte er zu dem Dichter, „du willst also Landstreicher werden?“ – „Gewiß“, erwiderte

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