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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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und von außen geschlossen wurde. „Hat sie mir ein Bett hiergelassen?“ fragte sich unser Philosoph. Zum Schlaf eignete sich weiter nichts als eine kurze hölzerne Kiste. Der Deckel war noch dazu mit Schnitzwerk geschmückt, wodurch Gringoire, als er sich ausdehnte, ein Gefühl empfand, ähnlich ungefähr dem des Mikromegas, wenn er sich über die Spitzen der Alpen schlafen gelegt hatte.
    „Wohlan!“ dachte er, „man muß sich so viel wie möglich in die Umstände schicken, sich in das Schicksal ergeben. Aber welch sonderbare Brautnacht! Wie schade! In der Ehe des zerbrochenen Kruges lag doch etwas Naives und Vorsintflutliches, das mir gefiehl.“

13. Die Kirche Notre-Dame
    Gewiß ist auch gegenwärtig die Kirche Notre-Dame noch immer ein majestätischer und erhabener Bau. So schön sie sich auch alternd mag erhalten haben, kann man dennoch nicht unterlassen, über die zahllosen Entwürdigungen und Verstümmelungen zu seufzen, womit Zeit und Menschen ohne Achtung für Karl den Großen, der den ersten Stein, und Philipp August, der den letzten Stein legte, den ehrwürdigen Bau entstellen. An der Vorderseite dieser alten Königin unsrer Kathedralen findet man neben jeder Runzel eine Narbe.
    Um zuerst einige Hauptbeispiele zu erwähnen, so gibt es gewiß nur wenig schönere architektonische Werke als die Fassade mit den drei in Spitzbögen gehauenen Portalen, die mit Schnörkeln verblümte Reihe von achtundzwanzig königlichen Nischen, die mit zwei Seitenfenstern geschmückte Rosette in der Mitte, die hohe und schlanke Galerie von kreuzartigen Arkaden, die eine schwere Fläche unter dünnen Säulen trägt, und endlich als die zwei schwarzen massiven Türme mit ihrem Schieferdache, Teile, die mit dem prächtigen Ganzen im Einklang stehen und in fünf gigantischen Stockwerken übereinanderliegen. Ohne Verwirrung entwickelt sich alles dem Auge mit den unzähligen Einzelheiten der Bildhauer- und Ziselierkunst und vereint sich mächtig mit der ruhigen Größe des Ganzen. Es gleicht einer ungeheuren steinernen Symphonie, das riesenhafte Werk des Menschen und des Volkes; es ist ein in sich zusammenhängendes Ganzes, ein wunderbares Erzeugnis der Vereinigung aller Kräfte einer Epoche, wo aus jedem Stein die Phantasie des Meißlers vereint mit der des Maurers hervorspringt, kurz, ein Menschwerk, fruchtbar und mächtig wie Gottes Schöpfung, dessen doppelten Charakter: Abwechslung, Ewigkeit es geraubt zu haben scheint.
    Was wir hier von der Fassade sagten, gilt ebensogut von der ganzen Kirche. Was wir von der Kathedrale von Paris sagen, gilt von der ganzen Kirchenbaukunst des Mittelalters. Alles hält sich in den richtigen, logischen Verhältnissen der selbstgeschaffenen Kunst. Das Maß der Zehe gibt das Maß des ganzen Riesen. Gegenwärtig fehlen dieser Fassade drei wichtige Dinge. Erstens, die Treppe von elf Stufen, die sich früher über den Boden erhob. Zweitens, die untere Reihe von Statuen, welche die Nischen der drei Portale füllte, und die Reihe der achtundzwanzig ältesten Könige von Frankreich, von Childebert bis auf Philipp August, alle mit dem Reichsapfel in der Hand, die die Galerie des ersten Stockwerks einnahm.
    Die Treppe verschwand durch die Gewalt der Zeit, die unmerklich, aber unwiderstehlich den Boden der Altstadt erhöhte. Indem aber die Zeit durch den stets hinaufsteigeden Kot des Pflasters von Paris die Stufen allmählich verschlang, die die majestätische Höhe des Baues erhöhten, gab sie der Fassade mehr, als sie ihr nahm, denn sie breitete darüber die dunkle Farbe der Jahrhunderte, die aus dem Greisenalter der Gebäude das Alter ihrer Schönheit schafft.
    Wer aber warf die beiden Reihen Statuen nieder? Wer leerte die Nischen? Wer schnitt im schönen, alten Portal den neuen Bastardbogen? Wer wagte es, die alberne schwerfällige Tür mit Schnitzwerk aus der Zeit Ludwigs XV. neben Biscornettes Arabesken einzuschwärzen? Es waren Menschen, Architekten, Künstler unserer Tage. Und treten wir in das Innere: Wer warf jenen Koloß des heiligen Christoph zu Boden, der unter den Statuen mit demselben Rechte zum Sprichwort ward, wie der Saal des Palais unter den Hallen, der Münster zu Straßburg unter den Türmen? Und welcher Barbar hat jene Statuen fortgeschafft, die knieend, stehend, reitend, Männer, Weiber, Kinder, Könige, Bischöfe, Ritter von Sandstein, Marmor, Gold, Silber, Kupfer und selbst von Wachs, vom Schiff zum Chor die Räume füllten? Die Zeit war es nicht. Und wer ersetzte den alten

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