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Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

Titel: Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo , Pößneck GGP Media GmbH
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„Herr“, erwiderte Phoebus etwas verlegen, „ich danke Euch für Eure Höflichkeit. Morgen ist es ja auch noch Zeit, in die Jacke unseres Vaters Adam Schlitze und Knopflöcher zu schneiden. Ich danke Euch, daß Ihr mir erlaubt, eine Viertelstunde angenehm zuzubringen. Ich hoffte wohl, Euch zum Todesschlaf in die Gosse niederzulegen und noch beizeiten zu der Schönen zu gelangen, besonders da es nicht unschicklich ist, die Frauen in solchen Fällen ein wenig warten zu lassen. Ihr aber seht mir aus wie ein munterer Schelm, und es ist sicherer, die Partie bis morgen zu verschieben. Ich gehe also zu meinem Stelldichein um sieben Uhr, wie Ihr wißt.“ – Hier kratzte sich Phebus hinterm Ohr. „Ach! Gottes Hörner! Ich vergaß, daß ich keinen Heller habe, die Dachkammer zu bezahlen, und die alte Hexe will im voraus bezahlt sein. Sie traut mir nicht.“
    „Hier habt Ihr Geld.“ – Phoebus fühlte, wie die eisige Hand des Unbekannten ein großes Stück Geld in die seinige schlüpfen ließ. Er konnte es nicht unterlassen, das Geld zu nehmen und die Hand zu drücken. „Wahrhaftiger Gott“, rief er aus, „Ihr habt ein gutes Herz!“ – „Nur eine Bedingung! Beweist, daß ich unrecht hatte und daß Ihr die Wahrheit sagtet. Verbergt mich in einem Winkel, von wo ich sehen kann, ob das Mädchen wirklich dasselbe ist, von dem Ihr spracht.“
    „Oh“, sagte Phoebus, „das ist mir einerlei, wir wollen die Kammer nach Ste. Marthe nehmen; im Hundestall, der seitwärts steht, könnt Ihr nach Belieben zuschauen.“ – „Kommt!“ sprach das Gespenst. – „Wie Euch beliebt. Ich weiß zwar nicht, ob Ihr Herr Satan in Person seid, für heute abend sind wir aber gute Freunde, und morgen will ich Euch alle Schulden mit Börse und Degen bezahlen.“
    Sie gingen schnell weiter. Nach einigen Minuten merkten sie an dem Rauschen des Flusses, daß sie auf dem Pont St. Michel waren. – „Erst will ich Euch hereinführen“, sprach Phoebus zu seinem Gefährten, „dann hole ich die Schöne, die mich im Petit-Châtelet erwartet.“ Der Gefährte erwiderte nichts; seitdem sie Seite an Seite gingen, hatte er kein Wort gesprochen. Phoebus hielt an einer niederen Tür und klopfte laut; ein Licht schimmerte durch die Ritzen. – „Wer ist da?“ rief ein zahnloser Mund. – „Gottes Leib! Gottes Kopf! Gottes Bauch!“ fluchte der Hauptmann. – Sogleich öffnete sich die Tür und zeigte den beiden Ankömmlingen ein altes in Lumpen gekleidetes Weib und eine alte Lampe, beide zitternd. Die Alte hatte ein abstoßendes Äußeres; sie wackelte mit dem Kopf und hatte kleine Augen. Das Innere der Hütte war verfallen. In der Mitte befanden sich wankelnde Tische und Schemel; ein schmutziger Knabe lag auf der Asche, und im Hintergrunde befand sich eine Treppe oder vielmehr eine hölzerne Leiter, die in einer Falltür endete. Als er in die Höhle trat, hob des Hauptmanns Gefährte den Mantel bis auf die Augen. Der Hauptmann, ob er gleich wie ein Sarazene fluchte, beeilte sich dennoch, die Sonne in einen Taler strahlen zu lassen. „Gebt uns die Kammer nach Ste. Marthe zu“, sprach er.
    Die Alte redete ihn mit gnädiger Herr an und barg den Taler in einer Schublade. Es war das Geldstück, welches der Mann im schwarzen Mantel dem Hauptmann gegeben hatte. Während sie den Rücken wandte, ging der zerlumpte und langhaarige Knabe auf den Zehen zur Schublade, nahm den Taler heraus und legte ein trockenes Blatt, das er aus einem Reisigbündel hervorgesucht hatte, an seine Stelle. Die Alte gab den beiden Edelleuten (so nannte sie die beiden) ein Zeichen, ihr zu folgen, und ging voran, als sie die Treppe hinaufstieg. Als sie zum oberen Stock gelangte, setzte sie die Lampe auf einen Koffer, und Phoebus, ein Kunde ihres Hauses, öffnete eine kleine Tür, die in ein dunkles Loch führte. – „Tretet ein, mein Lieber“, sprach er zu seinem Gefährten. Der Mann im Mantel gehorchte, ohne eine Wort zu erwidern; die Tür fiel zu; er hörte, wie Phoebus den Riegel vorschob und gleich darauf die Treppe mit der Alten wieder hinabstieg. Das Licht war verschwunden.

31. Vom Nutzen der Fenster, die nach dem Flusse hinausgehen
    Claude Frollo (denn wir vermuten, der Leser sei scharfsinniger als Phoebus, und habe wahrscheinlich in dem Gespenst den Archidiakonus wiedererkannt) tappte einige Augenblicke in dem dunklen Loch, in das der Hauptmann ihn eingeriegelt hatte, umher. Hier war weder Fenster, noch Luke, und das schräge Dach verhinderte, aufrecht zu stehen.

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