Der Glucksbringer
machte ich Jenny einen Heiratsantrag. Und sie sagte Ja. Dann, bei einer militärischen Großoffensive über Deutschland, wurde meine Maschine abgeschossen. Ich kam in Kriegsgefangenschaft. Ich weiß nicht, warum, aber Jenny muss wohl geglaubt haben, ich wäre tot. Sonst hätte sie mir bestimmt eine Nachricht hinterlassen und wäre nicht spurlos aus Sydney verschwunden. Immerhin waren wir verlobt.
Als ich zurückkehrte, hab ich überall nach ihr geforscht, aber leider erfolglos. Schließlich bin ich hier gelandet und hab den Job auf dem Versuchsgut angenommen. Und gestern Abend ist etwas schier Unglaubliches passiert. Als ich die Brosche sah, wusste ich spontan, dass es die ist, die Jenny damals gefunden hat. Für mich grenzt das an ein Wunder. Können Sie sich vorstellen, wie ich mich jetzt fühle?« Seine Augen bohrten sich in die des Griechen. »Ich weiß um Ihre Pflicht zur Diskretion, Mister, aber ich muss unbedingt wissen, wer die Besitzerin der Brosche ist. Ob es die Frau ist, die ich immer noch liebe und heiraten will. Und ich muss wissen, wann sie in Ihren Laden kommt.«
Joe zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, ob sie Ihre Jenny ist, Mister. Ich kenne sie nur als Mrs. Brown.«
»Mrs. Brown? Ist sie verheiratet?«
»Verwitwet, soweit ich weiß. Wie etliche Frauen in Cowra.«
»Ja, leider. Können Sie mir wenigstens sagen, wann Sie bei Ihnen vorbeischaut?«
»Ich vermute mal, irgendwann im Laufe des Morgens. Sie erwähnte am Telefon, sie müsse noch andere Besorgungen machen.«
Mike grinste von einem Ohr zum anderen. Er griff über die Theke hinweg und schüttelte dem Pfandleiher die Hand. »Danke, Mann, tausend Dank! Sie werden’s nicht glauben, aber Sie haben mir sehr geholfen!«
Joe, der sich wie ein Kuppler wider Willen fühlte, erwiderte sein Grinsen. »Ist schon okay. Wenn Sie mich dafür zu Ihrer Hochzeit einladen, sind wir quitt.«
Mike setzte sich wieder in seinen Wagen, wo er angespannt wartete. Die Stunden verstrichen. Es wurde zehn Uhr, halb zwölf. Die Händler räumten ihre Stände von der Straße und ließen die Gitter vor Türen und Schaufenstern herunter. Ab Samstagmittags waren die Geschäfte übers Wochenende geschlossen. Und wo blieb Jenny?
Selbst wenn er hundert Jahre alt würde, würde er diesen ersten Eindruck niemals vergessen. Wie sie plötzlich die Straße hinuntergegangen kam. Feingliedrig, schlank, ihre langen Haare fächerten sich offen um ihre Schultern, und sie schob einen Kinderwagen. Nachdem er sich aus seiner sekundenlangen Verblüffung gelöst hatte, sprang er aus dem Wagen und lief mit ausgebreiteten Armen auf sie zu.
»Jenny, Jenny!«
Wie vom Blitz getroffen blieb sie stehen. Riss verwundert den Mund auf, war mit Sprachlosigkeit geschlagen. Mike. Nein, es war eine Illusion, ein Traum, es konnte nicht sein – aber er war es! Sie mochte es kaum fassen. Freudentränen rollten über ihre Wangen, dann drückte er sie unversehens an seine Brust, und sie standen eng umschlungen, als wollten sie einander nie, nie mehr loslassen. Es war ein himmlisches Gefühl.
»Mike! Du... hier? Was hat dich in diese Gegend verschlagen?«
»Das ist eine lange Geschichte, das erklär ich dir später. Endlich habe ich dich gefunden! Das ist alles, was im Augenblick zählt. Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben. Jen, Jen, wieso bist du weggelaufen?«
Wie auf ein geheimes Stichwort hin fing der kleine Adam leise an zu quengeln, weil der Fremde die Aufmerksamkeit seiner Mutter beanspruchte.
»Und wer ist das?«, wollte Mike wissen.
»Das ist Adam.« Jenny strahlte mit mütterlichem Stolz. »Dein Sohn, besser gesagt unser Sohn.«
»Was?« Mike musterte den Kleinen in dem Kinderwagen. Und schüttelte ungläubig den Kopf. Er hatte endlich seine geliebte Jenny aufgespürt und erfuhr dabei Knall auf Fall, dass er Vater geworden war. Das musste er mental erst einmal verarbeiten.
»Ich bin wegen Adam von Sydney weggezogen. Zumal sich die Ereignisse irgendwann überschlugen und mir alles über den Kopf wuchs. Weißt du, nachdem ich feststellte, dass ich schwanger war, erfuhr ich kurz darauf, dass deine Maschine abgeschossen wurde. Ich dachte, ich würde dich vielleicht nie wiedersehen, und ich wollte natürlich, dass das Kind behütet aufwuchs.
Meine Tante und mein Onkel haben in der Nähe von Carcoar eine Farm, sie haben mich mit offenen Armen aufgenommen.«
Mike war weiterhin baff. »Mein Sohn. Unser Sohn. Erst finde ich die Brosche, dann dich, und dabei erfahre ich, dass
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