Der Glucksbringer
die Stadt?«, wollte Mario wissen.
»Klar doch, wie üblich. In dem Pub in der Hauptstraße gibt es mordsmäßig große Portionen, die putzt kein normaler Mensch weg.«
»Dann komm ich mit«, bekräftigte Mario. »Ist okay für dich, oder?«
»Ist gebongt. Wer mit will, kann mit«, bot Mike großzügig an. »Ich hab fünf Plätze in meinem Chevy. Also, wir treffen uns um fünf an meinem Auto.«
»Das hier ist um Längen besser als das Farmfutter, was, Jungs? Drei Gänge. Spargelsuppe, Grillhähnchen, Speck und Gemüse und als Nachtisch Pfirsich Melba. Hört sich doch klasse an, oder?« Mike lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und warf einen Blick in die Runde. Sie saßen zu fünft im Pub des Royal Hotel.
»Sì«, bekräftigte Maro. »Wenn ich meine Lucia aus Milano geholt habe, eröffnen wir ein Restaurant und servieren euch Aussies feine italienische Küche.«
»Wie kommst du denn auf das schiefe Brett, dass wir auf Spaghetti und Mafiatorte stehen, Mario? Ein ordentlicher Grillteller mit Gemüse, so was braucht der Australier«, zog Ted, ein kerniger Queenslander, ihn gnadenlos auf.
»Aaahh sicher, aber es ist sooo eintönig. Der Krieg hat vieles verändert, amico mio, nicht nur die Grenzen in Europa. Die Alliierten haben französische, niederländische, deutsche, italienische Küche mitgebracht. In zwanzig Jahren esst ihr so was hier auch, glaub mir.«
»Solange ich mir nichts Japanisches zwischen die Kiemen schieben muss«, bemerkte Verne Hopguard, ein wortkarger Eigenbrötler, zynisch. »Darauf kann ich getrost verzichten. Meine zwei Brüder wurden von diesen Burschen über dem Südpazifik abgeschossen.«
Ted schlug in dieselbe Kerbe. »Ja, so was ist verdammt bitter. Diese brutalen Typen – denkt mal an Kokoda und Darwin. Scheiße, es hätte nicht viel gefehlt, und sie wären nach Australien vorgestoßen!«
Mario sann krampfhaft auf einen Themawechsel, bevor das Gespräch zu eskalieren drohte. Er war in Cowra interniert gewesen, hatte jedoch – im Gegensatz zu etlichen anderen Gefangenen – gar nicht erst zu fliehen versucht. Ihm war gewärtig, dass die Männer am Tisch die Japaner hassten. »Heute ist Tanzabend in der katholischen Schule«, warf er ein. »Wir schauen vorbei und sehen uns hübsche Mädchen an?«
»Mario.« Iwan drohte ihm scherzhaft mit dem Finger. »Du bist verheiratet, Kumpel.«
»Sì, aber habe Augen im Kopf. Gucken kostet nichts und ist nicht verboten, oder?«
Nachdem sie bezahlt hatten, marschierten die fünf Männer über die Hauptstraße zu der Schulaula neben der katholischen Kirche. Im Saal war es brechend voll, und Mike gefiel die Musik, die die sechsköpfige Band spielte. Während er die Tanzpaare beobachtete, dachte er automatisch an den Abend, an dem er Jenny kennen gelernt und wie fantastisch sie miteinander harmoniert hatten. Von einer Woge tiefer Melancholie überwältigt, entschuldigte er sich nach einer Weile und erklärte seinen Begleitern, er würde im Wagen auf sie warten. Er schlenderte über die Hauptstraße zum Parkplatz zurück, wo er den Chevy abgestellt hatte. Unterwegs spähte er gelangweilt in die Schaufenster, bis er vor Joe Stefanos’ Leihhaus stehen blieb. Sein Blick klebte fasziniert auf der messingglänzenden Posaune, die im Ladenfenster ausgestellt war. Als Teenager hatte er sich an einem solchen Instrument versucht, zumal Glenn Miller sein
ganz großes Idol war. Er war nie besonders gut gewesen und hatte es irgendwann aufgegeben, weil er sportlich mehr drauf hatte als musikalisch.
Mit einer Mischung aus Neugier und Verdrossenheit betrachtete er die übrigen Gegenstände. Alles in allem ein Haufen Plunder. Er konnte sich gut vorstellen, dass jedes Stück eine interessante Geschichte hatte, weshalb es versetzt worden war. Zumal die meisten Farmer knapp bei Kasse waren und das Lebensnotwendige weiterhin rationiert wurde.
Sein Blick schweifte über diverse Schmuckstücke, Ringe, Armbänder, Ohrringe und Broschen und... dann sah er sie. Sie lag zwar weit hinten, geradezu versteckt, aber nein, er irrte sich bestimmt nicht.
Sein Herzschlag beschleunigte sich, hämmerte, dass es ihm in den Ohren dröhnte. Mike schnappte scharf nach Luft. Es war beinahe unfassbar, aber da lag sie. Die Brosche. Die Topasbrosche. Jennys Brosche! Er hatte sie nur zweimal gesehen: an dem Abend, als sie sich kennen gelernt hatten, und dann noch einmal in ihrem Zimmer. Aber in Himmelherrgottsnamen, weshalb lag sie jetzt hier im Pfandhaus? Dass er die Brosche
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