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Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)

Titel: Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Lukschy
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mangelndes Zutrauen zu seinen frühen Sketchen und Cartoons, das ihn diesmal stärker als sonst zweifeln ließ, oder war es eine Alterserscheinung? Wir haben jedenfalls sehr oft Lösungen, die uns perfekt erschienen, schon am nächsten Tag wieder verworfen und geändert. Und da er seinem Kurzzeitgedächtnis nicht mehr so ganz traute, wurden die geplanten Änderungen nicht gesammelt und auf den nächsten Durchgang verschoben – der vielleicht eine Woche später angestanden hätte –, sondern gleich vorgenommen. Wir begannen sehr oft von vorn. Ich gebe zu, dass es selbst für mich, der ich diesen Mann wie keinen zweiten verehrte, nicht immer leicht war. Dabei gründete der Wunsch nach Änderungen nie in persönlicher Eitelkeit. Es ging Loriot immer um die Sache, es war immer ein Ringen um die bestmögliche künstlerische Lösung.
    Von Zeit zu Zeit musste ich ihn dazu ermutigen, in die Edition alle, wirklich alle seine Sketche in ihren Originalfassungen aufzunehmen. Wir haben teilweise regelrecht miteinander verhandelt, ob ein Sketch gestrichen wurde oder auf die DVD gelangte. Loriot war seinen eigenen Werken gegenüber gnadenlos und sich selbst sein schärfster Kritiker.
    Dass Künstler nach vielen Jahren ihre frühen Werke verändern und verbessern wollen, kommt häufiger vor. Billy Wilder erzählte einmal von einer Szene, für die er im Traum endlich die perfekte Lösung gefunden hatte. Nur war der Film, aus dem die Szene stammte, schon seit Jahren fertig gedreht und geschnitten.
    Loriot ging an seine alten Sketche heran, als wären es aktuelle Arbeiten. Er wollte kürzen, umstellen und mehr Tempo machen. Bei einigen Sketchen war er nicht von kleinen Kürzungen abzubringen. »Ich fand das eigentlich schon damals ziemlich beschissen …«, sagte er oft. Es ist glücklicherweise, über die ganze Edition verteilt, nur bei einigen wenigen Schnitten geblieben.
    Um einen Sketch tat es mir dann doch sehr leid. Er heißt »Bastelstunde« und stammt aus dem Jahr 1969. In der »Bastelstunde« sprach Loriot auf seinem – noch roten – Sofa salbungsvoll von der enormen Bedeutung der Kindererziehung, bei der die frühzeitige Anregung des Kindes zu eigener Betätigung im Mittelpunkt stehen sollte. Auf nichts sei das Kind schließlich so stolz wie auf das erste Selbstgemachte. »Durch Sägen, Malen und Hämmern entwickelt sich die Phantasie des Kindes und das Empfinden für sauberes Denken und Handeln«, sagte er, bevor er vom Sofa in eine Studioecke ging, wo drei Kinder an einem Tisch saßen und bastelten. Mit sanfter Kindergärtnerstimme wandte Loriot sich den lieben Kleinen zu. Erst als er ein Werkstück in die Hand nahm, war zu erkennen, worum es ging: »Wir basteln ein Hakenkreuz.« Dass Loriot es schon 1969 gewagt hat, sich dem Thema Nationalsozialismus im Fernsehen humoristisch zu nähern, war neu und sensationell mutig. Er machte sich über die heile Welt von Bastelstunden lustig in einer Zeit, als unter der Oberfläche überall noch die Glut der NS-Zeit schwelte. Auch wenn der Sketch damals in »Cartoon« gelaufen ist, in die DVD-Box hat er es dennoch nicht geschafft.
    Loriot befürchtete, dass die Presse sich bei der Besprechung der Edition aus purer Sensationsgier nur auf diesen einen Sketch einschießen würde. Er hätte keine Ruhe mehr vor Anrufen, Interviewanfragen und Bitten um politische Stellungnahmen gehabt. Im Jahr zuvor hatte Günter Grass enthüllt, dass er als junger Mann Mitglied der Waffen-SS gewesen war,und mit dieser Enthüllung ein gewaltiges Mediengewitter ausgelöst. Vicco, der ehemalige Wehrmachtsoffizier, fühlte sich Derartigem nicht mehr gewachsen, ließ aber gleichzeitig keinen Zweifel daran, dass er den Sketch in seiner liebenswürdigen Boshaftigkeit für äußerst gelungen hielt: »Ihr könnt das ja gerne veröffentlichen, wenn ich nicht mehr lebe.«
    Wie recht er mit seinen Befürchtungen hatte, zeigte sich kurz nach Erscheinen der Box. In einem Zeitungsinterview, es ging unter anderem um Dani Levys Film »Mein Führer«, hatte sich Loriot höchst differenziert zu der Frage geäußert, wie man der Nazizeit und dem Führerkult humoristisch-satirisch begegnen könne. Daraufhin erschien der Artikel mit einer verstümmelten Kurzfassung seiner Antworten. Überschrift: »Loriot mag keine Witze über Hitler«.
    Nachdem die Zusammenstellung der sechs DVDs abwechselnd in Ammerland und in Berlin – immer vom bequemen Sessel aus – grundsätzlich abgeschlossen war, stand noch eine letzte

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