Der Glückliche schlägt keine Hunde: Ein Loriot Porträt (German Edition)
wahrgenommenen Wirklichkeit. Faszinierende Bilder, die ins Herz treffen.
Die Begegnung mit Vicco von Bülow war ein Geschenk in meinem Leben, für das ich sehr dankbar bin.
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Aus den Aufnahmen beim Schauspielworkshop habe ich 2010 den Dokumentarfilm »Professor Loriot« geschnitten.
Anlässlich einer Drehbuch-Masterclass »Komödie« an der dffb zeigte ich den jungen Autoren Ausschnitte meiner Dokumentation. Dabei tauchte die Frage auf, wie aktuell Loriots »Szenen einer Ehe« noch seien. Während einer der Studenten sagte, die drei Trickfilme seien Beispiele aus einer längst vergangenen Zeit, aus der Welt seiner Eltern und Großeltern, widersprach ihm ein Kommilitone. Er lebte in einer Wohngemeinschaft und hatte die Situation des Mannes, der »einfach nur hier sitzen« will, oft erlebt, wenn einer seiner Mitbewohner vor dem Computer saß und dessen Freundin den vergeblichen Versuch unternahm, ihn zum gemeinschaftlichen Joggen zu animieren. Der Wohngemeinschaftsbewohner von heute hatte sich und seine Welt in dem dreißig Jahre alten Loriot-Cartoon wiedergefunden.
Aber Vicco half auch Nachwuchsregisseuren bei deren ersten Werken. Als Mitglied der Deutschen Filmakademie übernahm er die künstlerische Patenschaft für das Kino-Debüt »13 Semester« von Frieder Wittich, eine Komödie über die Selbstfindung von Studenten. Wittich und Oliver Ziegenbalg, die zusammen das Drehbuch schrieben, durften Vicco in Ammerland besuchen und mit ihm über ihre Story reden. Im Herbst 2009 war der Film fertig, und Wittich, Ziegenbalg und deren Produzent Jakob Claussen führten Vicco das Werk in den Räumen der Filmakademie vor. Ich begleitete Vicco. Und auch hier war es bemerkenswert, wie differenziert er sich mit den Problemen von heutigen Studierenden auseinandersetzte. Für den anregenden Nachmittag bedankte er sich im Gästebuch der Filmakademie mit einem Nasenmännchen, diesmal mit einem Filmstreifen im Mund.
Der Deutsche Filmpreis
Im Frühjahr 2009 beschloss die Deutsche Filmakademie, Loriot den Ehrenpreis für sein Lebenswerk zu verleihen. Obwohl er es, wie schon erwähnt, mühsam fand, Preise entgegenzunehmen, konnte er sich dieser höchsten Auszeichnung, die ein deutscher Filmemacher bekommen kann, nicht entziehen. Man bat mich, für die Broschüre der Veranstaltung eine kleine Laudatio auf ihn zu schreiben. Hier ein paar Auszüge:
»Seit einiger Zeit habe ich das große Vergnügen, meinen Freund Vicco von Bülow beim Anfertigen von Dankesreden beobachten zu dürfen. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, nach einem an Arbeit überreichen Leben etwas kürzerzutreten und nur noch zu zeichnen. Diesem verständlichen Wunsch verdanken wir leider auch die schmerzliche Tatsache, dass seinen zwei Spielfilmen kein dritter gefolgt ist. Loriot ist damit zweifelsohne der deutsche Erfolgsregisseur mit der kürzesten Filmographie – und doch hat er mit seinen Werken – ›Ödipussi‹ und ›Pappa ante Portas‹ – mehr Zuschauer erreicht als so mancher von uns mit einer weit größeren Anzahl von Filmen.
Die Tatsache nun, dass Loriot im fortgeschrittenen Alter mit Preisen aller Art bedacht wird, hat einen angenehmen Nebeneffekt. Er ist genötigt, Worte des Dankes zu verfassen, und hat auf diese Weise eine – sein filmisches Œuvre an Umfang durchaus übertreffende – Sammlung von Reden zu Papier gebracht, herrliche Miniaturen von großer Bescheidenheit und enormer Sachkenntnis.
Wo er sich zum Thema Film äußert, fällt sein profundes Wissen ins Auge, das weit über den ihm als Regisseur nachgesagten Perfektionismus hinausgeht. Es handelt sich um geradezu philosophische Betrachtungen der technischen Aspekte der Kinematographie: ›Was ist Film? Zunächst bedeutet Film die Möglichkeit, 24 Bilder in einer Sekunde zu betrachten. Das sind 86 400 Bilder pro Stunde! Also rund 130 000 Bilder bei Spielfilmlänge. Und wenn der Bundesbürger im Jahr 35 Kinovorstellungen besuchte, hätte er in diesem Zeitraum 4 550 000 Bilder gesehen. Auch der routinierteste Betrachter von Bildergalerien, Bilderbüchern, Illustrierten, Zeitschriften, Fotoalben und Ansichtspostkarten kann da kaum mithalten.‹
Dass ein derart intimer Kenner der Materie wie Loriot es bei nur zwei Spielfilmen bewenden ließ, kann nur einen Grund gehabt haben: seine bedingungslose Liebe zur Symmetrie: zwei Buchsbäume auf der Terrasse, zwei Möpse, zwei Töchter – zwei Filme. Das lässt sich einfach besser arrangieren. Und nun heute Abend, um die Reihe zu
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